Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

DOI issue:
Heft 7
DOI article:
Aus der Ornamentstichsammlung des Leipziger Kunstgewerbemuseums, 2: Etienne de Laune
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0121

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
104

Aus der Ornamenlstichsammlung des Leipziger Kunstgewerbemuseums.

Schaffens. Mit dem heimischen Bodcn, aus
dem er seine Kraft gezogen, geht ihm die heitere
Grazie seiner Schöpfungen verloren. Er muß
sich nach dem Geschmacke eines fremden Pnbli-
knms richten, fremde Einflüsse wirken auf ihn
ein und beeinträchtigen bielfach die frische Nai-
vität seines Schaffens. Die Berührnng mit
den deutschen Künstlern, namentlich die Vor-
bilder der deutschcn Kleinmeister, vermögen mit
ihren feinen nnd fleißigen, aber durchaus enge
begrenzten Arbeiten den lebhaften Franzosen
wenig anznregen. Nach dem Muster der letzte-
ren giebt er einige Folgen grotesker Füllungen
heraus, andere und figurale Darstellungen
folgen, doch mehr und mehr vermißt man den
früheren Schwnng. Die Phantasie erlahmt ihm,
nnd mit Vorliebe arbeitet er jetzt nach feinem
Sohne. Bezeichnend ist es auch für seine
Stimmnng, daß der einst so heitere, graziöse
Meister 1680 eine Folge moralischer Embleme
sticht.

Einc Nnterbrechnng des Straßbnrger Auf-
enthalts bezeugen die nach der Thronbcsteigung
Heinrichs III. wieder in Frankreich herausge-
gebenen Blätter. Delaune ist heimgekehrt nnd
nimmt einen nenen Anfschwnng. Aber, seine
Blätter zeigen es, er findet nicht mehr dieselben
Verhältnisse: der Bürgerkrieg tobt im Lande
nnd die alte französische Lustigkeit ist gewichen.
Statt Schäserspiel und fröhlichen Jagdbildern
liefert er Friese mit Tier- und Menschen-
kämpfen, wildbewegte Scenen, die, man möchte
sagen, eine andere Seite des sranzösischen
Charakters, die Inria Irauoess, zur Darstellung
bringen. Selbst der Weiber bemächtigt sich in
jenen Darstellnngen die Wut des Kampfes:
heulend und mit perzerrten Gesichtern schlagen
sie mit dem Hansgerät und Gefäßen anf ein-
ander ein. Solche wilden Gegenstände drängten
sich inmitten des religiösen Bürgerkrieges dem
Künstler zur Darstellung auf, seinem Natnrell
entsprachen sie aber nicht. Dafür ist seine Hand
nicht kräftig genug, und auch sein Grabstichel
wird schwer. Bald kehrt er, dem Vaterlande
fremd geworden, nach Straßbnrg znrück, wo er,
nach einem Aufenthalt in Augsburg, seine Tage
wie es scheint, beschlossen hat.

Nur noch selten erkennt man in den Wer-

ken jener Zeit die alte, nnvergleichlich leichte Hand
wieder; er arbeitete aber, wenn auch mit ver-
minderter Kraft, fleißig weiter. Wehmütig be-
rührt es, wcnn er anf mehreren Blättern dieser
Zeit ausdrücklich koelieitsr soulpsit zeichnet,
doch berechtigt dies zu der Hoffnung, daß der
alte Meister in der deutschen Reichsstadt einen
behaglichen Lebensabend gefunden hat. Er starb
1583, sein letzter Stich datirt von 1582.

Jn eigentümlicher Weise hängt mit der
künstlerischen Eigenart und den Lebensschick-
salen Delaune's seine Stellnng als sogenannter
französischer Kleinmeister zusammen. Wührend
einheimische und frcmde Künstler jener Epoche
dnrch die Gunst der Könige und Großen zu
den höchsten Aufgaben berufen wnrdcn und
ihre Gedanken in fürstlichen Bauten, großen
Wanddekorationen und zahlreichen Werken dcr
Kleinkunst aussprechen durften, bleibt Delaune
mit seiner nngewöhnlichen Begabnng nnd echt
sranzösischen Verve von dem Wettbewerbe aus-
geschlossen. Nach Art der dentschcn Klein-
meister bleibt er in beschränktem Kreise, wie
eingeschlosscn in kleinbürgerliche Verhältnisse,
wie sie wohl in Deutschland, nicht aber in dcm
Frankreich von damals herrschten. Für diese
auffallende Thatsache finden wir nur eine Er-
klärnng: Delaune stand als Protestant, wie
auch als echt nationaler Künstler dem Ge-
schmacke der französischen Großen, die sich in
jener Zeit der beginnenden Gcgenreformation
mehr nnd mchr der italienischen Knnstrichtung
nnd der spanischen Mode zuwandten, serne.
Jn dcn Bürger- und Handwerkerkrcisen hatte
cr sein Publiknm, das sich an scincn figürlichen
Darstellnngen ersrente und scine Goldschmiede-
vorlagen nnd Ornamente in dcn Werkstätten
benutzte. Ans dieser engen Fühlung mit dcm
Volke läßt sich auch das echt nationale Ge-
präge erklüren, das seine reissten Schöpfnngen
in so seltenem Grade auszeichnet, wie andrer-
seits die dnrch keine Rücksicht auf die Besteller
eingeschränkte Originalität seiner Werke, die
uns selbst ohne jede andere Überliefernng die
Entwicklung wie die Lebensschicksnle des Meisters
bis zn einem gewissen Grade erkennen lassen
würden.

von Ubisch.
 
Annotationen