Bücherschair.
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Einwand, daß eine Vermehrung der Grund-
sarben nnd Modellirung der Flachen durch Ab-
tönung beliebt wurde, ist nach modernen Be-
griffen minder von Belang; es ist wahr, die
Zeichnnng wird lebendiger, nnd die weichen
zarten Bewegnngen der formschönen Schnitzereien
gelangen durch sie besser zur Geltnng, so daß
man sich schließlich mit der hier znm Ausdrnck
gelangten Konzession an die hentige Dekorations-
malerei wohl einverstanden erklären kann.
Trotz dieser Einwendungen bleibt die Be-
malung des Knochenhaueramthauscs cine lobens-
werte Leistung des Malers Mittag, der wir
gern nnsere Anerkennnng zollen. Mit ihrer
Vollendnng war das Eis geschmolzen und die
Abneigung gegcn Anwendnng von Farben an
der Außenarchitcktur nnserer Wohnhäuser nber-
tvunden. Schon im Spätherbst 1886 folgte
die bnnte Bcmalung von zwei anderen Hänsern,
das eine am Domplatz, das andere an der Oster-
straße, nnd mit Beginn des Jahres 1887 trat
in Hildcsheiin sogar ein besonderer Verein ins
Lcben, der sich ansschließlich die Förderung
dieser Schmuckweise zur Anfgabe stellt. Der
Bewegung ward damit ein fester Boden gegeben;
nachdem der gedachte Verein den Hauseigen-
tümern jene Mehrkosten bestritt, die der farbige
Anstrich dem eintönigen voraus hat, wnrden in
überraschend knrzer Zeit alle größeren nnd
reicheren Holzbauten mit farbenprächtigen An-
sichten überzogen. Was Hildesheim dadnrch ge-
wonnen, beweist der jährlich wachsende Fremden-
strom, der sich nach der alten Bischofsstadt hin-
lcnkt, nnd so scheint es anch wohl begreiflich,
daß sein Beispiel nicht lange ohne Nachahmnng
blieb. Kurz nach der Bemalung des Knochen-
haucramthauses wnrde das Jnnkerhans in
Göttingen in ähnlicher Weise geschmückt, in
Goslar wählte man das Brnsttnch als geeig-
netes Objekt, in Einbeck das Nordhornsche
Haus, nnd neuerdings hat sich ebenfalls in
Braunschweig die Bewegnng Freunde ge-
worben, auch dort ist ein Verein erstandcn, der
wie in Hildesheim für die Weiterverbrcitung
der Farbe in dcr Holzarchitektnr wirkt.
Der Einzng der Farbe in die Straßen-
bildcr der niedersächsischen Städte ist somit eine
vollzogene Thatsache; nichts wird ihrer ferneren
Ansbreitung hindernd in den Weg treten, wenn
sie vor Ansschreitnngen bewahrt bleibt und
man nicht in dcn Fehler vcrfällt, der angen-
blicklichcn Wirkung zuliebe abgestumpfte Töne
zu wählen. Ausschreitungen wären es, wenn
man die Farbe nicht nur anf das plastische
Relief oder ans die Malereien geeigneter Schräg-
bretter beschränkte, sondcrn wie in München
große Wandflächcn in Bilderbogen verwandelte;
volle und satte Töne aber müssen gewählt
werden, weil Luft, Licht und Wetter nur allzu-
bald den Farben ihre Lebendigkeit nehmen.
Bücherschau.
XIX.
Usrir! Loiroliot, ll-es reliurse ä'art ü In
Lidliotliägriö Xationnls. (juntrs - vingts
xlanoliös, rexroänitös ä'nprös 1ö8 ori§innnx.
?nr -Vron Irdvss. Lnris, küäonnrä Ikon-
vo^rs. 1888. 40.
Noch immer sind unsere Kenntnisse über
die Geschichte des Bucheinbandes lückenhaft.
Das Meiste und Bcste, was auf diesem Gebiete
geschehen ist, verdanken wir deu Franzosen nnd
Engländern, während bei uns in Deutschland
nur uebenher von den Forschern bei ihren Stu-
dien über die Geschichte des Kunstgewerbes
auch die des Bucheinbandes ins Auge gefaßt
worden ist. Außer Richard Steche's Versuch,
welcher die Geschichte des Bucheinbandes in
Sachsen besonders berücksichtigt und eine recht
brauchbare, wenn anch ziemlich knappe Ein-
führung in den Gegenstand darbietet, kommt
unter der dentschen Fachlitteratnr vor allem
Ferd. Luthmers übersichtliche Darstellnngin der
von Bruno Bucher herausgegebenen „Geschichte
der Technischen Künste" (20. und 21. Lieserung,
Stuttgart, W. Spemann 1886 —1887. 8") in
Betracht.
Eine weseutlichen Fortschritt in unseren
Keuntnissen werden wir verzeichnen können,
wenn uns gelnngene Nachbildungen in größerer
Anzahl als bisher vorliegen werden. Aus diesem
Grunde muß jeder Beitrag, selbst wenn er nicht
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Einwand, daß eine Vermehrung der Grund-
sarben nnd Modellirung der Flachen durch Ab-
tönung beliebt wurde, ist nach modernen Be-
griffen minder von Belang; es ist wahr, die
Zeichnnng wird lebendiger, nnd die weichen
zarten Bewegnngen der formschönen Schnitzereien
gelangen durch sie besser zur Geltnng, so daß
man sich schließlich mit der hier znm Ausdrnck
gelangten Konzession an die hentige Dekorations-
malerei wohl einverstanden erklären kann.
Trotz dieser Einwendungen bleibt die Be-
malung des Knochenhaueramthauscs cine lobens-
werte Leistung des Malers Mittag, der wir
gern nnsere Anerkennnng zollen. Mit ihrer
Vollendnng war das Eis geschmolzen und die
Abneigung gegcn Anwendnng von Farben an
der Außenarchitcktur nnserer Wohnhäuser nber-
tvunden. Schon im Spätherbst 1886 folgte
die bnnte Bcmalung von zwei anderen Hänsern,
das eine am Domplatz, das andere an der Oster-
straße, nnd mit Beginn des Jahres 1887 trat
in Hildcsheiin sogar ein besonderer Verein ins
Lcben, der sich ansschließlich die Förderung
dieser Schmuckweise zur Anfgabe stellt. Der
Bewegung ward damit ein fester Boden gegeben;
nachdem der gedachte Verein den Hauseigen-
tümern jene Mehrkosten bestritt, die der farbige
Anstrich dem eintönigen voraus hat, wnrden in
überraschend knrzer Zeit alle größeren nnd
reicheren Holzbauten mit farbenprächtigen An-
sichten überzogen. Was Hildesheim dadnrch ge-
wonnen, beweist der jährlich wachsende Fremden-
strom, der sich nach der alten Bischofsstadt hin-
lcnkt, nnd so scheint es anch wohl begreiflich,
daß sein Beispiel nicht lange ohne Nachahmnng
blieb. Kurz nach der Bemalung des Knochen-
haucramthauses wnrde das Jnnkerhans in
Göttingen in ähnlicher Weise geschmückt, in
Goslar wählte man das Brnsttnch als geeig-
netes Objekt, in Einbeck das Nordhornsche
Haus, nnd neuerdings hat sich ebenfalls in
Braunschweig die Bewegnng Freunde ge-
worben, auch dort ist ein Verein erstandcn, der
wie in Hildesheim für die Weiterverbrcitung
der Farbe in dcr Holzarchitektnr wirkt.
Der Einzng der Farbe in die Straßen-
bildcr der niedersächsischen Städte ist somit eine
vollzogene Thatsache; nichts wird ihrer ferneren
Ansbreitung hindernd in den Weg treten, wenn
sie vor Ansschreitnngen bewahrt bleibt und
man nicht in dcn Fehler vcrfällt, der angen-
blicklichcn Wirkung zuliebe abgestumpfte Töne
zu wählen. Ausschreitungen wären es, wenn
man die Farbe nicht nur anf das plastische
Relief oder ans die Malereien geeigneter Schräg-
bretter beschränkte, sondcrn wie in München
große Wandflächcn in Bilderbogen verwandelte;
volle und satte Töne aber müssen gewählt
werden, weil Luft, Licht und Wetter nur allzu-
bald den Farben ihre Lebendigkeit nehmen.
Bücherschau.
XIX.
Usrir! Loiroliot, ll-es reliurse ä'art ü In
Lidliotliägriö Xationnls. (juntrs - vingts
xlanoliös, rexroänitös ä'nprös 1ö8 ori§innnx.
?nr -Vron Irdvss. Lnris, küäonnrä Ikon-
vo^rs. 1888. 40.
Noch immer sind unsere Kenntnisse über
die Geschichte des Bucheinbandes lückenhaft.
Das Meiste und Bcste, was auf diesem Gebiete
geschehen ist, verdanken wir deu Franzosen nnd
Engländern, während bei uns in Deutschland
nur uebenher von den Forschern bei ihren Stu-
dien über die Geschichte des Kunstgewerbes
auch die des Bucheinbandes ins Auge gefaßt
worden ist. Außer Richard Steche's Versuch,
welcher die Geschichte des Bucheinbandes in
Sachsen besonders berücksichtigt und eine recht
brauchbare, wenn anch ziemlich knappe Ein-
führung in den Gegenstand darbietet, kommt
unter der dentschen Fachlitteratnr vor allem
Ferd. Luthmers übersichtliche Darstellnngin der
von Bruno Bucher herausgegebenen „Geschichte
der Technischen Künste" (20. und 21. Lieserung,
Stuttgart, W. Spemann 1886 —1887. 8") in
Betracht.
Eine weseutlichen Fortschritt in unseren
Keuntnissen werden wir verzeichnen können,
wenn uns gelnngene Nachbildungen in größerer
Anzahl als bisher vorliegen werden. Aus diesem
Grunde muß jeder Beitrag, selbst wenn er nicht