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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 11
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Bötticher, Georg: Rokokotapeten
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0191

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Von Georg Bötticher.

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puristen, den Feinden des Rokoko eine neue
Wciffe in die Hand, gegen die Geschmcicklosig-
keit und Stilwidrigkeit dieser „Verfallsepoche"
loszuziehen, indem sie den Charakter des Rokoko
fälscht, des echten Rokoko nämlich, welches die
Eigenart des Flachmusters gegenüber der pla-
stischen Verzierung sehr wohl respektirte.

Wir haben gar nichts dagegen, wenn unsere
Zeit die Rokokoformen nicht archäologisch-treu
reproduzirt. Wir sprechen uns vielmehr die
volle Berechtigung zu und halten es für einen
Akt schöpferischer Thätigkeit, für ein Kennzeichen
der Weiterentwickelung nnseres Stilgefühls, die
Formen, die uns von irgend welcher Stilepoche
cius irgend welchem Grunde ansprechen, nach
den Bedürfnissen der Zeit beliebig umzumodeln
nnd nnserer Dckorationsweise anzupassen. Nur
darf dies nicht mit Verletzung vollgültiger Stil-
gesetze geschehen, nur dürfen die Grundsätze, die
uns, bei strenger Prüfung, noch jetzt als gute,
brauchbare erscheinen, nicht auf den Kopf gestellt
werden. Das ist aber bei den modernen Rokoko-
tapeten der Fall. Es giebt einzelne Ausnahmen

— im ganzen müssen wir die Auffassung unserer
Zeichner und Fabrikanten von diesem Teile der
schönen und reichen Stilepoche als eine abge-
schmackte und unverständige bezeichnen.

Möge das Publikum die Augen öffncn
und an den mancherlei erhaltenen Zimmerein-
richtungen aus jener Zeit seine Ansicht über
Rokokotapeten berichtigen und die falschen Rokoko-
muster, die überhaupt keine Wandmuster sind,
zurückweisen. Möge vor allem der ratgebendc
Architekt, dessen Vorgehen hier am eingreifend-
sten sein könnte, gegen derartige unschöne, stil-
lose und den Prinzipien einer guten Wand-
bekleidung schnurstraks zuwiderlaufende Muster
protestiren.

Solche Kundgebungen werden ihre Wirkung'
auf die Händler und die wichtigere Rückwirkung
auf die Fabrikanteu und Zeichner nicht ver-
fehlen, von denen viele leider durchaus nicht
über die Stilepochen und vor allem über dic
Verzierungsprinzipien in der wünschenswerten
Weise unterrichtet sind.

Schmiedeciscrner Tischleuchtcr. Äiiln, um 1400.

Kuustgcwerbeblatt. v.
 
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