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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

DOI issue:
Heft 13 (1. Aprilheft 1908)
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Avenarius, Ferdinan: Frau Wahrheit und Herr Klapperstorch: zu dem neuen Preisausschreiben des Dürerbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0015
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Und eine Aufgabe, die ganz sicherlich nicht nach einem Schema,
auch nicht nach einem „künstlerischen" Schema gelöst werden kann,
sondern nach der Besonderheit von Lltern und Kind abertausend-
fältig abgewandelt!

Als bei uns die gute Äberlieferung in Sachen des Bauens und
in Sachen des handwerks schier erloschen war, da haben unserm
Bolk seine Künstler zu helfen gesucht, und wer, was heute auf diesen
Feldern wächst, mit dem vergleicht, was noch vor fünfzehn Fahren
auf ihnen wuchs, der wird zugeben: sie haben geholfen. heute
rust auf einem ganz andern Eebiete der Dürerbund das „Künhler
heran!". Helst eurem Volk ihr, die ihr Künstler des gestaltenden
Wortes seid! Nicht daß wir, was ihr uns gebt, unsern Kindern
mechanisch weitergeben wollen. Auch was eure Genossen von der
gcstaltenden Hand uns im Dienste der Heimat gcgeben haben, hat
ja seine größte Bedeutung darin, daß es uns an Beispielen die
Dinge wieder;u sehen lehrte. Auch auf diesem ganz andern Arbeits-
felde der Kultur liegt es ähnlich. Wir bitten euch, daß ihr uns
durch neue Beispiele die Fülle von Möglichkeiten zeigt, durch die
man über das Werden des Lebendigen zu Heranwachsenden sprechen
kann. Wissen wir zehn Wege, werden wir einen elften, wissen wir
hundert, wcrden wir hundert weitere sehen und die, welche uns selber
dicncn. Das ganze Borstellungsgebiet wird in Bewegung kommen.
Änd wird in neuerem, freierem Lichte klarer im ganzen, mannig-
faltiger in seinen Einzelheiten daliegen. Und wenn die Berufenen
unter euch auch nur Anregungen geben, wie wertvoll können sie
der Allgemeinheit sein!

So erläßt denn der Dürerbund sein neues Preisausschreiben mit
guter Zuversicht. „Berufsdichter" oder „Berufsdichtcrinnen« branchen
die Einsender ganz gewiß nicht zu sein. Aber Erfahrene müssen
sie alle sein, hier hat das Dilettantentum, das uns nichts nützen
kann. seinen Boden in der Unkenntnis der Knaben- und Mädchen-
seele, der wirklichen Derhältnisse und des Stoffs. Vor allem: wir
brauchen Wahrheit, schöne. ernste, herzliche Wahrheit. Kein
Borspiegcln, keine Spiclerei, keine Untcrhaltungsmacherei. Wir
brauchen nicht schnell hingcworfene Skizzen geschickter Nlache, noch
Zusammengebästelte Ausklügelungen der Absichtlichkeit, wir brauchen
Gaben aus schöpferischen Slunden der Liebe zu unsrer Iugend.
Hier gilt. wenn irgendwo, das Gocthesche Wort vom Wert der
„Gelegenheit" Wir wenden uns nicht allcin an die im besonderen
Sinne „dichterisch" Begabtcn. Das schlichtcste Wort kann hier ein
den Lebensgehalt befreiendes Wort sein. Zudem: auch cine
wissenschaftliche Form kann ja künstlerisch sein: auch davon
sind uns Bcispicle willkommen, wie die Mitteilung des rcin Tat-
sächlichen. wie die lautere Belehrung für den oder jenen Fall sich
gestalten kann. Aber noch einmal: Alles muß entstanden sein aus
Liebe zur Wahrheit und aus Liebe zur Iugend. und alles muß be-
gründet sein in Erfahrung. ^

Brei-ausschreibrn um Beiträge zur seruelle« Aufklärung

8 i. Der Dürerbund erläßt hierdurch ein Preisausschreiben um
kurze Beiträge zur sexuellen Ausklärung der Iugend. Als Ziel ist

i Aprilheft 1908^ ' S l
 
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