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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

DOI issue:
Heft 17 (1. Juniheft 1908)
DOI article:
Rath, Wilhelm: Umstrittene Dichter, [1]: Richard Dehmel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0319
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Llrnstrittene Dichter*

1. Nichard Dehmel

Dichter Richard Dehmel in seinem Hauptamt, der Lyriker
^-D^Dehmel, darf heut so gut wie in hundert Iahren als fertig
offenbarte Erscheinung gewürdigt werden. Was er auch an
Werken noch Unerwartetes hervorbringen möge, es kann am Ge-
samtbild seines Wesens, am Kerneindruck seines Schafsens nichts
mehr ändern.

In den vier ersten Bänden, die jetzt von seinen Gesammelten
Werken** erschienen sind, hat der nun Vierundvierzigjährige seine
gesamte ernste Lyrik so gegeben, wie er sie von Mit- und Nachwelt
aufgenommen wünscht. Er selber vermerkt im Vorwort zur Ge-
samtausgabe: „Die Arbeit (der Feilung, Nmstellung, Auffüllung)
war eine solche Sturzackerei, daß ich meinen entrüsteten Freunden,
und denen, die es werden wollen, mit allen Eiden schwöre: nie
w i e d e r!"

Ob nun die Kritik des einundzwanzigsten Iahrhunderts unsren
Zeitgenossen nicht anders sehen werde als wir, das bleibt eine Frage
für sich. Zur Erlangung eines für uns endgültigen Nrteils haben
wir uns nur den Vorurteilen von links und von rechts gleichmäßig
fernzuhalten und zum Schlusse die Endgegensätze Vergötterung und
Verketzerung wachsam zu scheuen. Das ist ja wohl eine selbstver-
ständliche Voraussetzung jeder würdigen Würdigung. Doch Dehmel
pflegte lange nur fanatisch angeschwärmt oder fanatisch verlacht zu
werden, so daß hier die Betonung der Neutralität, die Bitte um
unvorbefangenes Mitgehen nicht ganz überflüssig scheint.

Dehmels Ich ist aus Tag und Nacht so verwickelt gewoben, daß
es nicht Wunder nehmen kann, wenn zwei Parteien je die eine
Hälfte Dehmel, die sie begreifen, herausnehmen und für den ganzen
Mann nehmen. Die bewundernswert scharfen Spruchpräger, sowohl
des Spießertums wie auch der Literatenjünglingscliquen, wissen ja
auch vor den problematischsten Kunsterscheinungen augenblicks zu ent-
scheiden: „du mußt heftig dawider" oder „du mußt überschwänglich
dafür sein!" Suchen wir bescheidener zu verfahren; nehmen wir
den Dichter, der sich ohne Zweifel mit Recht (im Adressenbuch „Wer
ist's?") als „Mitträger der neuen deutschen Lyrik" bezeichnen darf,

* Wir eröffnen hiermit eine Folge von Aufsätzsn, die in ruhiger Er-
örterung die wichtigstcn der „umstrittenen Dichter" nach und nach be-
leuchten sollen, die jetzt im Mittelpunkt der Teilnahme stehen. — Der
Vachdruck dieses Aufsatzes ist vom Verfasser verboten worden.

** Im Verlag S. Fischer, Berlin. Sie sollen im ganzen sO Bände
umfassen, außer den hier zu betrachtenden die solgendsn: V. „Zwei Men-
schen", Noman in Romanzenform. 3. unveränderte Ausgabe. VI. „Der
Kindergarten", Gedichte, Geschichten und Spiele für Kinder und Eltern
jeder Art. tz Ausgabe. VII. „Lebensblätter", Novellen in Prosa. VIII. „Be-
trachtungen". IX. „Der Mitmensch", Lragikomödie. X. „Luzifer", Panto-
mimisches Drama. — Subskriptionspreis jedes Bandes: geh. 3 Mark, in
Halbpergament Mark, in Ganzpergament 5 Mark.

j (. Iuniheft (908 _ 26s
 
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