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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

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Heft 15 (1. Maiheft 1908)
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Erdmann, Karl Otto: Immoralitäts-Fexerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0165
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Iahrg. 21 Erstes Maiheft l S08 Hest l S

Jmmoralitiits-Fexerei

^^^as Moralische versteht sich immer von selbst." Und da alles
/Selbstverständliche banal und geistlos ist, wird der moderne
o und geistvolle „Intellektuelle" folgerecht verächtlich von der
Moral sprechen und für sich den imponierenden Titel eines „Amora--
listen" oder „Immoralisten" in Anspruch nehmen.

Vor mir liegen zwei Nummern des „Morgen" mit Antworten
auf eine Nmfrage, die die Redaktion aus Anlaß des jüngst ver-
handelten Harden-Moltke-Prozesses an eine Anzahl deutscher und
ausländischer Schriststeller verschickt hatte: „ob wir es bei dem Her-
ausgeber der »Zukunft« mit einem Manne zu tun haben, der seine
zweifellos hervorragenden Gaben zum Zwecke des allgemeinen Wohles
verwendet, oder aber sich ihrer lediglich zu seinem Privatinteresse
bedient". Natürlich wird in diesen Aussprüchen — bewußt oder
unbewußt — moralisch gewertet. Man lobt Hardens „ehrliche Aber-
zeugungstreue", seine „leidenschaftliche Wahrheitsliebe", die „Red-
lichkeit seines Wollens", seine „Unantastbarkeit"; man bezeugt ihm,
daß er ein Gentleman sei usw. Aber es wäre verwunderlich, wenn
nicht dazwischen auch die immoralische oder amoralische Note er-
tönte. So schreibt einer der Befragten, Herbert Lulenburg, die be-
deutenden Worte:

„Ich achte in tzarden seinen Mut, seine Amoralität und seinen
Fleiß. In diesen dreien hat er zur Stunde in Deutschland seines-
gleichen nicht."

Man wird fragen dürfen, worin denn eigentlich diese unvergleich-
liche Amoralität Hardens bestehe. Daß er nicht salbadert, daß er
nicht aufdringlich und lehrhaft Moral predigt und den kleinlichen
Sittenrichter spielt, daß er sich nicht ununterbrochen pathetisch ent-
rüstet, sondern mit der Gelassenheit eines Menschenkenners die
Schwächen und Niedrigkeiten der menschlichen Natur allenthalben
als natürliche Faktoren in Rechnung zieht — das versteht sich für
einen weltmännischen Iournalisten seiner Art von selbst, bezeugt aber
seine „Amoralität" nicht. Denn wenn er leidenschaftlich kämpft, dann
fallen die kräftigsten und entschiedensten moralischen Werturteile.
Aus ehrlicher Äberzeugung — so heißt es wenigstens in den
meisten der über ihn im „Morgen" veröffentlichten Gutachten. Wo
also die unvergleichliche Amoralität Hardens stecken soll, bleibt ein
Geheimnis des Rrteilenden.

Ein anderer der Befragten, Hanns Heinz Ewers, ist noch deutlicher.
Sein Ausspruch ist so nett, daß ich ihn vollständig anführe: „Wenn ich
in diesem Scherbengericht, das Sie von einem internationalen Dichter-
areopag über Maximilian Harden veranstalten lassen wollen, mein
Votum mit einem kräftigen xro reo abgebe, so geschieht es, weil ich in
ihm die Persönlichkeit liebe. Alles andre ist mir vollkommen gleich-
gültig. Ob »seine Ziele und Gründe höchst patriotische und rein poli-
tische, oder ob sie rein persönliche« sind, das berührt mich gar nicht.

^ l- Maiheft ist08
 
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