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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

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Heft 15 (1. Maiheft 1908)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0227
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die Rache zuläßt. Die Beleidigun-
gen schwellen an wie das Wasser der
Gießbäche bei jedem Stein, den sie
treffen... Die Vergangenheit läßt
ihm keine Ruhe, die Gegenwart be-
drückt ihn und die Zukunft erscheint
ihm verhaßt. Er verschließt sich in
sich selbst, drohend und angstvoll.

„Vergib uns unsre Schuld, wie
wir vergeben unsern Schuldigern..."

Worte des Lichtes und des Frie-

dens, der Befreiung für alle Be-
leidigten; sie haben nichts mit dem
Bösen zu schaffen, denn sie lassen
es fahren, sie kennen es nicht, sie
eilen der Sonne zu, sie lassen die
Nachtgeister in der Finsternis.

Vergebt, um gut zu seiu, ver-
gebt, um stark zu sein, vergebt, um
im Besitz aller eurer Kräfte das
Glück erobern zu können.

Engene Larrisre

Unsre Bilder und Noten

er Steindruck nach Michael Neder, den wir diesem Hefte vor-
Hsetzen, erinnert unsre Leser an eines der „nebensächlicheren" Werke,
die so gut wie verschollen und vergessen warcn, bis sie durch
Tschudis an Verdiensten so reichc Iahrhundert-Ansstellung zugleich mit
wichtigeren und bedeutenderen Schöpfungen wieder zu allgemeinercr
Beachtung kamen, „wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt". Der
l807 geborene Wiener Neder war keins von den „großen Lichtern", aber
er war ein vorzüglicher Kolorist und Realist, der beispiclsweise mit
diesem Bildchen schon MO sehr viel besser gemalt hat, als die gefeierten
Mal-Größen in den siebziger und achtziger Iahren. Zudem war er ein
vortrefflicher Sitten- und Menschenschilderer. Unser Bild ist ganz und
gar keine Anekdoten- oder Literatur-Malerei und läßt doch vortrefflich
das Seelische aufleben. Der Mann von echt wienerischem Thpus, der,
den einen Filz auf dem Kopf (der andre liegt auf dem Klaviere), den
beiden Buben etwas einpaukt, tut dies keineswegs aus „kunsterzieherischer"
Lsidenschaft, sondern ziemlich unverhohlen bloß den paar Kreuzern zulieb,
er fühlt sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch als verkanntcs Genie. Aber
diese Tatsachen werden uns nicht mit dickem Austrag erzählt oder gar
mit Pointen vorgewitzelt. Zunächst sehen wir eben einen farbig ungemein
lebendigen nnd harmonischen Raum mit einem Musiklehrer und zwei
Iungen. Ganz allmählich, ganz von selbst wird dicser Raum zum Milieu,
wirkt er als Umwelt mit, entwickelt er Stimmung. Aus sich hcraus,
ohne „Zuwag und Draufgabe" vom Literarischen her.

Alfred Rcthel hat (8^ eine Sepiazeichnuug entworfen und sorgsam
durchgeführt, welche die Bergung der Leiche Barbarossas darstellt. Man hcbt
den Toten ebcn aus dem Wasscr des Kalykadnos, hiuten am Ufer naheu ent-
sctzt der Sohn des Kaisers und der Bischof von Regensburg. Man hat gegen
die Komposition mancherlei und hat es mit Recht gesagt (nur die Gestalt
des scheu sich duckendcn mohammedauischeu Fährmanns ist immer un-
angefochten bewundert worden), aber einen Hanch der Rethelschcn Größe
atmet das Bild doch aus. Ietzt ist es durch den Tod des Kunstsammlers
Eduard Cichorius wieder in den Handel gekommen. Wir machen die
deutschen Kunstfreunde überhaupt auf diese Sammlung aufmerksam, dic
am 5. nnd 6. Mai bei C. G. Boerner in Leipzig versteigert werden
soll. Ihr Hauptwert liegt allerdings in den köstlichen Blättern Ludwig

(. Maiheft (Z08
 
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