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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

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Heft 16 (2. Maiheft 1908)
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Avenarius, Ferdinand: Uhde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0242
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>Iahrg.2I Zweites Maiheft 1908 Hest 16

Llhde

ist noch nicht lange her, da dachte, wer von der »neuen", von
»V^der „modernen" deutschen Malerei sprach, ganz sicher zunächft
^^an zwei Männer, die nebeneinander zu schreiten schienen, während
alle andern erst in beträchtlicher Entfernung hinter ihnen her zogen:
an Liebermann und an Uhde. In gleichem Maße gilt das heute
schon deshalb nicht mehr, weil der Schritt der Iugend schneller ist;
genug zum Ruhme der beiden nun Sechzigjährigen, daß sie nicht,
wie das so oft den Alteren geschieht, von den Iüngeren verdrängt
worden sind. Liebermann wie Uhde, sie „halten" sich. Aber der
temperamentheiße Wirklichkeitserfasser besten jüdischen Geblütes aus
Berlin und der immer mehr sich zurückhaltende ehemalige Offizier
aus der kirchlich gesinnten sächsischen Adelsfamilie in München sehen
sich für unsre heutigen Augen nicht mehr so ähnlich, wie ehedem.

Ia, einmal taten sie das in sehr hohem Grade. Der eine war von
Menzel, der andre von Makart nach Paris gekommen, dort aber
hatte beide, die sich noch nicht kannten, zunächst der Ungar vom
„satten Tone" gefesselt, Munkacsy. Die, denen man so gern nach-
sagt, sie hätten einfach den Impressionismus aus Paris importiert,
gingen ohne den mindesten Einfluß von Manet usw. wieder weg
von Paris. Bei Millet kann man von Wirkung besonders auf Lieber-
mann, bei Bastien-Lepage von Wirkung besonders auf Uhde sprechen,
aber auch diese Wirkungen blieben für die Dauer nicht wesentlich.
Die Reise nach Holland, die jeder der beiden vom andern noch ganz
unabhängig unternahm, die körperliche feuchte Freiluft von Holland
haben uns Deutschen den Impressionismus gebracht, das geistige
Pleinair von Paris glänzte nur so aus der Ferne drein. Wer Lieber-
mannsche oder Uhdesche Bilder mit solchen der frühern französischen
Impressionisten vergleicht, sieht auch den Unterschied sofort.

Es ist den Franzosen gegenüber bei Liebermann und Uhde etwas
Gemeinsames da, aber an Verschiedenheiten zwischen den beiden
fehlt's auch nicht. Liebermann war in der Malweise der Vor-
gänger, Uhde, den er in München kennen gelernt hatte, der erste
Nachfolger. Einem jeden der beiden Weggenossen lag aber doch
das Ziel in der Ferne ein wenig seitab von dem des andern — oder
auch ein wenig dahinter und vielleicht deshalb noch verdeckt. Das
Erfassen, ich möchte sagen: das Herauswerten des Gesamteindrucks
aus der Sammlung einzelner Eindrücke, die dem Auge von der
Natur geboten werden, war für Liebermann schon sehr früh der
feste Zielpunkt, bei Uhde dagegen deutet ein Verweilen bei der ein-
zelnen Gestalt, ein Charakterisieren der einzelnen Menschen schon
bei seinem ersten wichtigeren Freilichtbilde, bei der „Trommelübung"
die weitere Entwicklung an. Liebermann blieb, sozusagen, in Holland
und verfeinerte und verstärkte in sich, was er dort im Freilicht
gelernt hatte, bis zur höchsten Freiheit einer impressionistischen
Malerei, deren eigentliches Interesse sich bewußt auf die Er-

1 2. Maiheft MS ^ s
 
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