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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

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Heft 18 (2. Juniheft 1908)
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Avenarius, Ferdinand: Theaterkultur
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Brandes, Friedrich: Schulz-Beuthen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0399
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wenn man die nicht wollte: Zur Erhaltung wie vieles erfreuenden
Alten, das nur der Gewinnsucht fällt! Zu wieviel „Naturpflege",
zu wieviel „tzeimatschutz"! Zur Förderung wie mancher wirklicher
Begabungen, damit sie uns dienen könnten mit dem Neuen, womit
nur sie uns dienen können! Zur Verwirklichung wie vieler Pläne
siner literarischen, musikalischen, bildnerischen Ausdruckskultur nicht
des Scheins der Vergangenheit, sondern des Seins der Gegenwart,
das in die Zukunft fortzeugt!

Wir sind kein armes Volk mehr. Wir könnten uns gelegentlich
auch einmal Hohkönigsburgen gönnen. Als Tafelaufsätze, sozusagen,
wenn die Kultur den Lebendigen den Tisch deckt. Aber das Brot
darauf ist wichtiger, und noch fehlt's am Brot. Wir kaufen Tasel-
aufsätze um das Geld fürs Brot. A

Schulz-Beuthen

/-^-v«^enn man die Anwendung des Begriffes „Modern" ver-
^F D Hfolgt, so sollte man angesichts der verschiedensten Meinungen
glauben, er sei wandlungsfähig. Er ist es aber nur, wenn
er mit dem Begriff der Mode verbunden wird. In der Kunst ist die
Mode das Wertlose: das Gebiet der Effektmacher und geistreichen
Kunstköche oder der Nachempfinder und glatten Nacharbeiter. Darnach
wäre das Moderne, das Modische, eine unnütze Sache: eine Sache
der Müßigkeit und Eitelkeit.

Verstehen wir aber die Modernität nicht mehr als eine „zeitgemäße"
Sache, nicht mehr als eine Richtung, wie so viele neben- und durch-
einanderlaufen, sondern als eine Gesinnung, so können wir ety-
mologisch auf Modus zurückgehen. Dann ist es, um schlicht zu über-
setzen, die Art und Weise, wie einer Künstler ist, die ihm den Ehren-
titel des modernen Künstlers gibt. Nnd dann kommt es einzig darauf
an, ob die Art, ob das Wie im Zeichen der Lchtheit steht, ob der
künstlerischen Tätigkeit der Stempel des Müssens, des Nichtanders-
könnens aufgeprägt ist. Denn nur, was ich so aus mir den andern
vermittle, ist eine Mehrung des geistigen Gesamtbesitzes.

Unmodern ist, wer zum Vergnügen oder um die Zeit totzuschlagen
komponiert, wer großen Meistern glatt nacharbeitet, wer dirigiert,
damit von ihm in den Zeitungen gesprochen wird, unmodern ist der
Unsachliche.

Modern aber, wen das innere Bedürfnis zum Gestalten treibt,
wen das Leiden zwingt, Gewalten zu bannen, wen die Musik so
ganz erfüllt, daß alle Erdenschwere entschwindet: der Sachliche.

Modernität im besten Sinne ist Sachlichkeit, und Sachlichkeit
ist eine Angelegenheit der Gesinnung. Wo diese wahrhaftig ist, kann
der Mensch nicht anders handeln als seinem Wesen gemäß. Er kann
nicht dichten, wenn er eigentlich trachten muß; er kann nicht kompo-
nieren, wenn ihn Tagesinteressen irgendwie berühren. Iede Kunst
wird Heuchelei und Geschäft, wenn nicht innere Not zu ihr drängt und
Zwingt.

Alle großen Meister sind modern, sofern sie die Bedingung der
Echtheit, der Wahrheit, der Sachlichkeit in sich tragen. Die Äschylus

s 322 Kunstwart XXl"l8^
 
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