Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1908)
DOI Artikel:
Brandes, Friedrich: Schulz-Beuthen
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Eduard von Gebhardt: zu seinem siebenzigsten Geburtstage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0403
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
in die Zeit des kurzen, seligen Liebesfrühlings, den Kriemhilde mit
dem Helden Siegfried genoß. Das sind die lyrifchen Episoden (Zwie-
gespräch von Klarinette und Oboe), die dem Durchführungssatze ein-
gefügt sind: natürlich nur Episoden, die sich dem strahlenden Sieg-
friedthema, das zuerst (als zweites Thema) in Es-, bei der Wieder-
holung in As-Dur anftritt, mit mild verklärenden Schimmer weh-
mütiger Erinnerung entgegenstellen und so erst das Bild der unglück-
lichen Kriemhilde voll ausmalen. Von der thematischen Erfindung,
den tief gesättigten Farbenstimmungen der Instrumentiernng und vom
Fluß der gedanklichen Entwicklung ist bei einem Meister, wie es
Schulz-Beuthen ist, nicht ausdrücklich zu reden. Die verschiedenen,
abwechslungsreich ausgestalteten seelischen Znstände, die Erinnerungen
an vergangenes Glück, Leid in Wehmut getaucht, und heißeste Rache-
gefühle steigern sich unmittelbar bannend bis zu dem Augenblicke,
der mit einem betäubenden Akkorde die Katastrophe bringt. Diese wird
in dem mächtig sich aufbäumenden Schlußteile geschildert, wo die
theatralische Arbeit des Vorangegangenen in der verschärften Rhythmik
und in der leidenschaftlicher ausgebildeten Satzgliederung den schauer-
lichen, erschütternden' Ausgang widerspiegelt. Der gewaltigen, herben
Größe der tragischen Stimmung in dieser eigenartigen Tondichtung,
die alle modernen Effektmittel verschmäht und ein „Imxaviänm Isrisni
rninas" in germanischer Art zum ergreifenden Ausdruck bringt, kann
niemand widerstehen.

Man darf begierig sein, wie lange es wohl noch dauern wird, bis
die Konzertgesellschaften und die Operntheater dessen gewahr werden,
daß dieser starke, selbständige Geist mit dem kindlichen Gemüte nicht
mehr übergangen werden kann. Möchte dieser Zeitpunkt noch kommen,
ehe den vielverschlagenen und so lange verkannten Meister der Rasen
deckt. Sein Eintreten für Franz Liszt, das ihm in den früheren Kampf-
jahren verderblich wurde, sollte doch von Rechts wegen ihm nunmehr
nur noch Freunde verschaffen müssen. Liszt freilich hat das große
Wort gesprochen: „Ich kann warten", und damit werden wir uns
auch für Schulz-Beuthen trösten können. Friedrich Brandes

Eduard von Gebhardt

Zn seinem siebenzigsten Geburtstage

^^eder von uns hat einmal zu Gebhardt mit der freudigsten Be-
^(wunderung aufgesehn, und viele von uns können seiner heute
E^Inicht mehr ganz so herzlich wie früher genießen. Steinhausen
und Uhde sind in die moderne religiöse Malerei getreten, jeder auf
andern Wegen, jeder mit besonderen Gaben. Wir vergleichen sie mit
Gebhardt und vermissen dann bei ihm die Werte ihrer Art, wäh-
rend wir die Werte seiner Art eben schon länger kennen. Ich
glaube, wir sind heute leicht ungerecht gegen Gebhardt, gerade wir,
die wir viel mit Bildern vsrkehren, während in größte Kreise die
Liebe zu ihm jetzt erst hinwogt. Sie fließt aus so echter, so tiefer Kunst,
daß wir den Weg zwischen ihrem Qusll und uns freihalten müssen.

!.

336

Kunstwart XXI, t3 °
 
Annotationen