verborgen; ja, ich glaub sogar, daß
alle Neigungen, von denen die Phi-
lister sagen, daß sie keinen nützlichen
Zweck haben, zu jenen mhstischen
gehören, die den Keim zu großen,
in diesem Leben noch unverständ-
lichen Eigenschaften in unsre Seele
legen; welche dann im nächsten
Leben als ein höherer Instinkt aus
uns hervorbrechen, der einem gei-
stigeren Element angemessen ist. —
II
Sei immer mit deinem Genius,
so bist du auf dem geraden Weg
zum Himmel.
Eine Kunst erwerben, heißt dem
Genius einen sinnlichen Leib geben.
Eine Kunst erworben haben, be-
deutet dem Geist nicht mehr Ver-
dienst, als dem Vater eines be°
deutenden Kindes. Die Seele war
da, und der Geist hat sie in die
sichtbare, fühlbare Welt geboren.
Bettina
Unsre Bilder und Noten
ls Meister Albrecht Dürer 1506 in Venedig war, da schrieb er an
Pirkheimer nach Nürnberg, er hätte gute Frennde dort, die warnten
ihn, er solle der Sicherheit halber doch lieber nicht mit den ita-
lienischen Malern essen und trinken. Andre venezianische Kollegen vom
Pinsel machten ihn schlecht; es sei nicht antikischer Art, was er male, und
tauge drum nichts. Aber Giovanni Bellini, der habe ihn vor
den Nobili sehr gelobt. „Er wollte gern etwas von mir haben und ist
selber zu mir gekommen und hat mich gebeten, er wolle es gut bezahlen.
Und die Leute sagten mir alle so sehr, was für ein rechtschaffener Mann
er sei, daß ich ihm ebenso gewogen bin." Dabei war der „Giam Bellini"
doch schon „sehr alt" (nämlich 73 Iahre), „und ist", fügt Dürer bewundernd
hinzu, „noch immer der beste in der Malerei".
War es zufällig, daß der große Lehrer Giorgiones nnd Tizians sich so
zu Dürer hingezogen fühlte und er seinerseits Dürern so zn sich zog?
Bellinis Kunst hat sich wundersam entwickelt aus der befangenen Aach-
ahmung der Antike, aus der Nähe seines Schwagers Mantegna heraus,
aus dem Harten zur Weichheit, aus dem Plastischen zum Malerischcn,
aber eines liegt in jedem seiner Werke als sein persönliches Eigentum:
das sich Versenken nicht nur in die Erscheinung, auch in den Gegen--
stand, den er darstellte. Man vergleiche nnsre Bilder in umgekehrter
Folge, um das Aufsteigen zu beglciten nnd so der Höhe erst recht zu
genießen. Das letzte dcr drei zeigt die mcisten Figuren und damit den
größten Aufwand der Mittel nnd erreicht doch das Wenigste, obgleich
auch hier schon das Innerliche des Ausdrucks, zumal im Christnsgesicht,
dentlich spricht. Die hinteren Gestalten stehen doch mehr füllend herum,
die vorderen „stellen" ihre Gruppe ohne Beziehung zu uns, und teils
die Antike, teils das Modell „sieht durch". In das mittlcre Vild ist
die Landschaft gekommen, um es vom Relief zu erlösen; statt der sieben
Gestalten sehen wir nur drei; der Ausdruck der Gesichter ist meisterlich
(26
Kunstwart XXI, !4 ^
alle Neigungen, von denen die Phi-
lister sagen, daß sie keinen nützlichen
Zweck haben, zu jenen mhstischen
gehören, die den Keim zu großen,
in diesem Leben noch unverständ-
lichen Eigenschaften in unsre Seele
legen; welche dann im nächsten
Leben als ein höherer Instinkt aus
uns hervorbrechen, der einem gei-
stigeren Element angemessen ist. —
II
Sei immer mit deinem Genius,
so bist du auf dem geraden Weg
zum Himmel.
Eine Kunst erwerben, heißt dem
Genius einen sinnlichen Leib geben.
Eine Kunst erworben haben, be-
deutet dem Geist nicht mehr Ver-
dienst, als dem Vater eines be°
deutenden Kindes. Die Seele war
da, und der Geist hat sie in die
sichtbare, fühlbare Welt geboren.
Bettina
Unsre Bilder und Noten
ls Meister Albrecht Dürer 1506 in Venedig war, da schrieb er an
Pirkheimer nach Nürnberg, er hätte gute Frennde dort, die warnten
ihn, er solle der Sicherheit halber doch lieber nicht mit den ita-
lienischen Malern essen und trinken. Andre venezianische Kollegen vom
Pinsel machten ihn schlecht; es sei nicht antikischer Art, was er male, und
tauge drum nichts. Aber Giovanni Bellini, der habe ihn vor
den Nobili sehr gelobt. „Er wollte gern etwas von mir haben und ist
selber zu mir gekommen und hat mich gebeten, er wolle es gut bezahlen.
Und die Leute sagten mir alle so sehr, was für ein rechtschaffener Mann
er sei, daß ich ihm ebenso gewogen bin." Dabei war der „Giam Bellini"
doch schon „sehr alt" (nämlich 73 Iahre), „und ist", fügt Dürer bewundernd
hinzu, „noch immer der beste in der Malerei".
War es zufällig, daß der große Lehrer Giorgiones nnd Tizians sich so
zu Dürer hingezogen fühlte und er seinerseits Dürern so zn sich zog?
Bellinis Kunst hat sich wundersam entwickelt aus der befangenen Aach-
ahmung der Antike, aus der Nähe seines Schwagers Mantegna heraus,
aus dem Harten zur Weichheit, aus dem Plastischen zum Malerischcn,
aber eines liegt in jedem seiner Werke als sein persönliches Eigentum:
das sich Versenken nicht nur in die Erscheinung, auch in den Gegen--
stand, den er darstellte. Man vergleiche nnsre Bilder in umgekehrter
Folge, um das Aufsteigen zu beglciten nnd so der Höhe erst recht zu
genießen. Das letzte dcr drei zeigt die mcisten Figuren und damit den
größten Aufwand der Mittel nnd erreicht doch das Wenigste, obgleich
auch hier schon das Innerliche des Ausdrucks, zumal im Christnsgesicht,
dentlich spricht. Die hinteren Gestalten stehen doch mehr füllend herum,
die vorderen „stellen" ihre Gruppe ohne Beziehung zu uns, und teils
die Antike, teils das Modell „sieht durch". In das mittlcre Vild ist
die Landschaft gekommen, um es vom Relief zu erlösen; statt der sieben
Gestalten sehen wir nur drei; der Ausdruck der Gesichter ist meisterlich
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Kunstwart XXI, !4 ^