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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

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Heft 13 (1. Aprilheft 1908)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0045
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binsons Eiland«, der sich von jeher
gerne den Kopf von Utopien um-
gaukeln ließ, meditiert haben, als
er dsn Plan zu seinem Lustspiel
vom „Dummkopf« faßte. Und
so fing er mit einer Testaments-
eröffnungsszene an, in der man
schier den Geist des seligen Iean
paul umgehen fühlt. Ein sonder-
barer Kauz von altem Onkel hat
neunmalhunderttausend Mark hin-
terlassen, sie aber nicht etwa zu
gleichen Teilen seiner Großnichte
und seinen drei Neffen, sondern „in
der ErwLgung, daß Verstand, Welt-
klugheit und Erwerbssinn schon an
und für sich ein Kapital bedeuten,
oas reiche Zinsen verspricht, und daß
anderseits mangclhafte Vegabung
um so mehr auf Stützung und
Nachhilfe angewicsen ist«, allein und
ungeteilt dem — „Dümmsten von
selncn Verwandten« vermacht. Als
slch keiner freiwillig dazu bekenneu
wül, auch dre hsimliche Abstimmung
ke.ne absolute Mehrheit ergibt, tritt
das Eventualtestament in Kraft, das
der menschenklugc Onkel gleich bei-
gesugt hat: zum Universalerben wird
Oustus tzaeberlin ausgerufen, er, der
lch. w,e der Onkcl gleichfalls richtig
vorausgesehen, aus sittlicher Lmpö-
rung uber die Frivolität der Lcsta-
mentsbestimmung als einziger von
en schlauen Verwandten der Ab-

bat, weil er sich
'cht selbst die Stimme geben wollte.
le andern fauchen vor Wut. Wie
ma sroßsinnig hätten sie, zu-

"?'"ialen Vettern, wahre
Wohltater der Menschheit, ihre Ka-

büt^ ?nlegen wollenl Der eine
Schran/'" - ü''" ^"dlich von den
freitc- r? "discher Bcdürftigkeit be-
bimmM?'^Es Talent in einem
MitmLiederstrom über seine
hätte im ^ ^n^^egossen; der andre
bares L,5°"dunldrehen sein lenk-

dritte der r ^Eggestellt; der

dntte, der langst den Veruf zum

Finanzreformator in sich spürt, hätte
die Welt mit seinen sozialpolitischen
Heilandsideen beglückt.

Der Untröstlichste von allen ist
aber doch Iustus Haeberlin selbst,
der Universalerbe. Eine Rache des
alten Geizhalses war es, nichts als
eine Rache, just ihn mit sciner Mil-
lion zu beglückenl Weil er nach dem
Onkel und seinem Geld nie gefragt
hat, darum allein hat der ihn nun
in seinem lehten Willen lächerlich
gemacht, darum ihm diesen Makel
angeheftet, darum ihn vor Gcricht
und vor seiner ganzen Familie zum
Dummkopf gcstempelt! Ihn von
dieser Last zu befreien, wird bald
Rat. Vielleicht hätte dem Hans im
Elück seine Halbcousine, auch eine
von den übergangenen Erben, die
plötzlich ihr Herz für ihn entdeckt
hat, unter kundiger Beihilfe ihrer
Muttcr den menschenfrcundlichcn
Dienst geleistet, wenn nicht der Drci-
bund der Vettern kraft ihrer männ-
lichen Intelligenz schneller zum Zicle
gekommen wäre. Deren hochstreben-
den idealen Projekten zuliebe ent-
sagt Iustüs auch dem letzten Heller
des schnöden Mammons, so daß
jeder von ihnen mit dreimal hun-
derttausend in der Taschc abzieht.
Ia, einem von ihnen tritt der Ans-
bund von Uneigennützigkeit auch noch
das MLdchen ab; dessen kindlich
reine Unschuld er sich, sich sclber
ergeben glaubte; den beiden andern
hilft er bei ihrcn Werbuugsn um
die Hand der reichen Amerikanerin,
die er in der Pension seiner liebe-
voll bcsorgten Tante kennen gclcrnt
hat und die sich, von der Gewandt-
heit dcr großen tzerren längst nicht
mehr geblendet, durch eine geheime
Stimme — wohl die ihrer Abstam-
mung von den „blinden Hessen",
ihren deutschen Vorfahren — selt-
sam zu diesem reinen Toren hin-
gezogen fühlt. Und richtig: als
Iustus' Not am höchsten, ist die

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