Licht und nochmals Licht erzengt
sich eine Gesamtstimmung von einer
suggestiven Kraft, die dann vom
Ganzen her anf das Einzelne wie
eine seelische Beleuchtung zurück-
wirkt.
Damit wären Slevogts Kunst-
mittel angedeutet. Kunst mittel.
Fa, denn das ist es, was diesen
Blättern anch eine kunstgeschicht-
liche Bedeutung sichert: hier ist
der Impressionismus tatsächlich zu
einem Mittel geworden, um noch
andre seelische Werte anszudrücken,
als die sich aus dem Ringen der
Künstlerpersönlichkeit mit einem
Wirklichkeitseindrnck ergeben. Und
darin liegt in rein künstlerischer Be-
ziehung das Bedeutungsvolle dicser
Blätter.
Sie sind aber noch darüber hin-
aus bedeutend durch das, was sie
aus den Stoffen herausholen. Sle-
vogt nennt seine Folge „Achill",
er beschränkt sich ganz eigentlich
auf „den Zorn des Achilleus", vor
allem auf seine Rache für des Pa-
troklos Tod. Jm einzelnen hält
er sich dabei durchaus nicht enge
an den Text, und ich weiß nicht
einmal, ob ich sagen darf: cr tut's
dem Geiste uach. Zwar hat be-
kanntlich auch Homer uicht nur an
Schwindel und Geschimpf, sondern
auch an Roheit rurd Blut und
Wunden ein viel größeres ästhe-
tisches Interesse, als friedliche Neu-
zeitmenschen gern zugeben wollen.
Aber er hat einen gemessencn Stil
im Vortrag, der doch wieder wie
ein Gewand den Rohstoff umhüllt.
Slevogt künrmert sich um das Milde,
Versöhnende, Harmonische, um das
in beruhigenden Rhythmen und
wiederkehrendeu Vildern Gehaltene
dieses homerischen Vortragstiles sehr
wenig. Obgleich des „blinden Sän-
gers" Verse unter den Bildern
stehn, begleiten diese Zeichnungen
eigentlich nicht die homerischen Ge°
sänge, sondern den Stoff dieser
Gesänge. Was ihn fesselt, ist das
Grausige, aber auch bis zum Er-
habcnen Große jenes Geschehens,
das der Grieche dem durchdringen-
den Auge hinter seiner Version
zeigt: das uoch halbwilde Barbaren-
tum, aber in Barbaren, aus deuen
Hellenen werden. Und insbeson-
dere dieser eine: dieses Ungetüm
an Kraft und Liebe, das den Ver-
lust des Weibes verschmerzcn kann,
aber den Verlust des Freundes
nie; dieser Mann mit ungeheucr-
licher Häufung der Manneseigen-
schaften, aber nicht der männischen,
sondern der männlichen; dieses am
Herzen verwundete rasende Halbtier
an Leidenschaft, das doch zugleich
Halbgott ist, dieser Achill. Fch
weiß nicht, ob sich mit anderer
Kunstweise als der impressionisti-
schen so traumhaft ahnungsreiche
Blicke in einen Vorweltzustand der
Menschheit unsrer Phantasie gleich
anregend hätten entschleiern uud
wieder umschleiern lassen, wie mit
Slcvogts skizzenhafter, brciter, rück-
sichtsloser Technik. Man wäre ver-
sucht, zu sagcn: mit seiner tobenden
Technik, wcnn die Pinsclhiebe, ohne
irgendwelche Einzelform zu model-
lieren, ihre Stelle im Bildganzen
nicht bewundernswert sicher träfen.
Fch muß es den Lesern überlasscn,
an den Bildern dicses Hefts meine
Meinung nachzuprüfen, so gut sie
sich so völlig Neuem gegcnüber vor
kleincn Neproduktionen nachprüfen
Nacktheit, Kunst und Post-
karten
ein kleiner Beitrag „Reproduk-
tionen ruhmwürdiger Kunst-
werke" (XXI, (5) hat mir ein paar
Angriffe eingetragen. Thcma eins:
A. will die Kunstzensur „getrost
der Staatsanwaltschaft direkt über»
lassen". Thema zwei: A. geht unter
30S i
I (. Iuniheft (908
Angewandte
Kunst
sich eine Gesamtstimmung von einer
suggestiven Kraft, die dann vom
Ganzen her anf das Einzelne wie
eine seelische Beleuchtung zurück-
wirkt.
Damit wären Slevogts Kunst-
mittel angedeutet. Kunst mittel.
Fa, denn das ist es, was diesen
Blättern anch eine kunstgeschicht-
liche Bedeutung sichert: hier ist
der Impressionismus tatsächlich zu
einem Mittel geworden, um noch
andre seelische Werte anszudrücken,
als die sich aus dem Ringen der
Künstlerpersönlichkeit mit einem
Wirklichkeitseindrnck ergeben. Und
darin liegt in rein künstlerischer Be-
ziehung das Bedeutungsvolle dicser
Blätter.
Sie sind aber noch darüber hin-
aus bedeutend durch das, was sie
aus den Stoffen herausholen. Sle-
vogt nennt seine Folge „Achill",
er beschränkt sich ganz eigentlich
auf „den Zorn des Achilleus", vor
allem auf seine Rache für des Pa-
troklos Tod. Jm einzelnen hält
er sich dabei durchaus nicht enge
an den Text, und ich weiß nicht
einmal, ob ich sagen darf: cr tut's
dem Geiste uach. Zwar hat be-
kanntlich auch Homer uicht nur an
Schwindel und Geschimpf, sondern
auch an Roheit rurd Blut und
Wunden ein viel größeres ästhe-
tisches Interesse, als friedliche Neu-
zeitmenschen gern zugeben wollen.
Aber er hat einen gemessencn Stil
im Vortrag, der doch wieder wie
ein Gewand den Rohstoff umhüllt.
Slevogt künrmert sich um das Milde,
Versöhnende, Harmonische, um das
in beruhigenden Rhythmen und
wiederkehrendeu Vildern Gehaltene
dieses homerischen Vortragstiles sehr
wenig. Obgleich des „blinden Sän-
gers" Verse unter den Bildern
stehn, begleiten diese Zeichnungen
eigentlich nicht die homerischen Ge°
sänge, sondern den Stoff dieser
Gesänge. Was ihn fesselt, ist das
Grausige, aber auch bis zum Er-
habcnen Große jenes Geschehens,
das der Grieche dem durchdringen-
den Auge hinter seiner Version
zeigt: das uoch halbwilde Barbaren-
tum, aber in Barbaren, aus deuen
Hellenen werden. Und insbeson-
dere dieser eine: dieses Ungetüm
an Kraft und Liebe, das den Ver-
lust des Weibes verschmerzcn kann,
aber den Verlust des Freundes
nie; dieser Mann mit ungeheucr-
licher Häufung der Manneseigen-
schaften, aber nicht der männischen,
sondern der männlichen; dieses am
Herzen verwundete rasende Halbtier
an Leidenschaft, das doch zugleich
Halbgott ist, dieser Achill. Fch
weiß nicht, ob sich mit anderer
Kunstweise als der impressionisti-
schen so traumhaft ahnungsreiche
Blicke in einen Vorweltzustand der
Menschheit unsrer Phantasie gleich
anregend hätten entschleiern uud
wieder umschleiern lassen, wie mit
Slcvogts skizzenhafter, brciter, rück-
sichtsloser Technik. Man wäre ver-
sucht, zu sagcn: mit seiner tobenden
Technik, wcnn die Pinsclhiebe, ohne
irgendwelche Einzelform zu model-
lieren, ihre Stelle im Bildganzen
nicht bewundernswert sicher träfen.
Fch muß es den Lesern überlasscn,
an den Bildern dicses Hefts meine
Meinung nachzuprüfen, so gut sie
sich so völlig Neuem gegcnüber vor
kleincn Neproduktionen nachprüfen
Nacktheit, Kunst und Post-
karten
ein kleiner Beitrag „Reproduk-
tionen ruhmwürdiger Kunst-
werke" (XXI, (5) hat mir ein paar
Angriffe eingetragen. Thcma eins:
A. will die Kunstzensur „getrost
der Staatsanwaltschaft direkt über»
lassen". Thema zwei: A. geht unter
30S i
I (. Iuniheft (908
Angewandte
Kunst