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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,3.1908

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Heft 18 (2. Juniheft 1908)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7706#0454
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nronien ankommt, ich meine, ob
sie deutsch oder lateinisch, laut oder
still sind. Von dem traurigen nnd
unnötigen Notbehelf, die Gebete still
ZU sprechen, kann übrigens gar nicht
die Nede sein. Für uns Geistliche
uruß ich schon in Anspruch nehmen,
daß wir das Lateinische korrekt aus-
sprechen können. Stört aber der
Knster durch seine Ligenart, so hat
ihn der Pricster auf das Amen zu
beschränken; die kirchlichen Vor-
schristen hindern das nicht, und es
geschieht schon jetzt vielfach. Im
nbrigen hsrrscht in sehr vielen Bis-
tümern Deutschlands und österreichs
der rechtmäßige Gebrauch, bei den
Begräbnisfeierlichkeiten im Hause
und am Grabe die deutsche Sprache
anzuwenden, und in den Ritualien
sieht man von Fahr zu Iahr mehr
auf die ästhetische Durchbildnng
dieser dentschen Texte. Nebenbei
gesagt sind die Vegräbniszeremo-
nien der Großstadt für die katho-
lifche Kirche nur ein Notbehelf;
die volle Ästhetik ihres Trauer-
kultes, wie sie sich nicht nur in
hohen Domkirchen, sondern auch in
deü, einfachsten Landkirchen noch
heute entfaltet, ist in Requiem,
Absolutio, Conduct und Salve be-
schlossen.

Es liegt aber bei der ganzen
Sache noch eine Schwierigkeit ver-
borgen. Daß man uns arme Geist-
liche manchmal hinzwingt zur Be-
erdigung von Loten, welche in Lebcn
und Sterben cine uns völlig fremde
.Weltanschauung festgchalten haben,
nnd in eine Umgebung, welche auf
dem gleichen Standpunkt sich noch
befindet — zu Dekorationszwecken.
Eine Dame der Familie wird ge-
wöhnlich in solchen Fällen damit
beauftragt, dem Geistlichen vor-
sichtig gewisse Mitteilnngen zu
machen, durch die man seine Mit-
wirkung herbeiführt — zu Dekora-
tionszwecken. Dann ist freilich die

ganze Feierlichkeit von einer pein-
lichen und fühlbaren Anwahrheit
durchzogen, die alle Ästhetik von
vornhereirr zerstört.

Chmesisches

„Chinesische Lyrik", deutsch von Hans
Heilmann;Fruchtschale, ersterBand
(München, R.Piper k Eo., M.2.50)
- Hans Bethge, „Die chinesische
Flöte" (Leipzig, Inselverlag, Papp
band M. 5.—, Seiden M. (2.—)
^eilmanns Sammlung von etwa
chinesischen Gedichten vom (2.
vorchristlichen Iahrhundert bis zur
Gegenwart bringt natürlich manches,
was mehr ethnologisches als poeti-
sches Interesse erweckt; und auch
diejenigen Stücke, die höhere und
höchste Werte haben, fordern viel
guten Willen und Arbeit, bis man
durch die Schalen einer ganz frem-
den Rasse nnd Kultur zum allge-
mein menschlichen Gehalt vordringt.
Immerhin, die Mühe lohnt sich,
nnd die gut geschriebene Einleitung
des Abersetzers erleichtert den Wcg
nach Möglichkcit.

Die chinesische Poesie hat cinen
ansgesprochen diesseitigen Eharakter;
die große Gefühls-Erweichung und
--Vertiefung, die das Abendland
durch das Christentum erfuhr, hat
der Buddhismus in China nicht
hervorbringen können, und in eiuer
3000 jährigen Geschichte ist wohl die
lyrische Form zu einer unglaub-
lichen Feinheit entwickelt, aber die
Art, zu sehen und zu fühlen, durch
keinen Bruch verändert worden.
Die behagliche Freude an der Er-
scheinung und die kecke Sicher-
heit der Darstellung, die man
vor einigen Iahrzehnten an den
japanischen Malern bewundcrn
lernte, ist in der chinesischen Lhrik
seit den ältesten Zeiten heimisch ge-
wesen, und wenn diese nicht gleich-
falls bei uns in Mode kommt, so

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