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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 8 (2. Januarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0190
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fach einzuordnen oder sich Regel-
mäßiges auferlegen zu lassen. Und
der öffentliche Glaube an den Wert
der höheren Schulen in ihrer bis--
herigen Gestalt ist eben weithin er-
schüttert.

Es wird da im einzelnen außer-
ordentlich viel Oberflächliches, Un-
zutreffendes, Ungerechtes bshauptet,
wird schwerlich zu Erfüllendes leicht-
hin gefordert. Indessen im ganzen
bildet sich ja wirklich, gerade auch
unter den Einsichtsvollsten, eine
Vorstellung von wesentlich neuen
Beüürfnissen in der Lchrweise, in
der Auffassung des jugendlichen
Wesens, im Verhältnis der Un-
terrichtsziele zu dem Inhalt der
Wissenschaften. Diese Ambildung
vollzieht sich, obschon in unglei-
chem Tempo, in den verschiedensten
Kulturländern; auch in Deutsch-
land, wo die Dinge freilich nicht
so leicht in Fluß kommeu, aus
Gründen, die nicht verächtlich zu
sein brauchen. Da genügt es denn
nicht mehr, daß jeder einzelne als
Dozent Richtiges lehre und als
Schulbcamter Korrektes leiste. An
pshchologischer Vertiefung und an
Empfänglichkeit für neue erziehe-
rische Gesichtspunkte muß der
Durchschnitt der höheren Lehrer
noch sehr zunehmen. Daß die
Äräger dieses neuen Strebens nicht
fehlen, darf nochmals betont wer-
den; aber daß die vielen Tausende
der Berufsgenossen weit und breit
so leicht wie durch ein militärisches
Kommaudo zum Einschwenken in eine
neue Linie gebracht werden könn-
ten, hieße Rnmögliches erwarten, um
so mehr als diese Linien immerhin
noch wenig fest sich hinzeichnen,
noch ziemlich kraus durcheinander-
laufen. Es ist auch nicht unrichtig,
daß die fachwissenschaftlichen Uni-
vcrsitätsstudien für manche Geister
die Gefahr einschließen, der eigent-
lichen Berufsaufgabe entfremdet zu

werden. Hier wird die Zukunft
noch erhebliche Wandluug brin-
gen müssen. Man darf nicht ohne
weiteres stolz sein auf seinen wis-
scnschaftlichen Eharakter; es gilt,
alles erworbene Wissen und Ver-
stehen in den Dienst wirklich wert-
voller Iugendbildung zu stellcn,
namentlich abcr, die werdenden jun-
gen Persönlichkeiten innerlich zu
gewinneu, wahrhaft zu belcben,
zu beflügeln. Gewiß, diese Auf-
gabe ist so hoch, daß in keinem
Berufe eine derartige von der
großen Mehrzahl der Berufsmit-
glieder nach Wunsch gelöst werden
könnte. Aber die Aufgabe muß
immer wieder vor Augen gestellt
werden und die Bemühung darum
muß cben weiter wachsen.

Ist es wahr, daß die seminarisch
gebildeten Lehrer zurzeit weit mehr
pädagogisches Interesse und Ver-
ständnis beweisen als die Aka-
demiker? Ein Wuuder könnte das
nicht heißen, da das Interesse der
letzteren zugleich ihrem fachwissen-
schaftlichen Gebiete zugewandt blei-
ben muß, wenn sie nicht die geistig
anregende Kraft verlieren sollen;
und tatsächlich kommt denn über
diesem Interesse das andere leicht
zu kurz. Es ist aber auch nicht
ganz unberechtigt, wenn man in
dieser Schulsphäre mehr von der
freien Einwirkung der geistigen
Persönlichkeit erwartet, und in
jener andern von dcr unbedingt
erfaßtcn und befolgten pädagogi-
schen Methode. Das eine wic das
andere kann vortrefflich wirken,
es kann aber auch im wesentlichen
versagen. Die Besten oder die
wahrhaft Guten sind hübcn und
drüben großen Lobes würdig. Diese
Besten sind es auch nicht, die
einandcr mißachten oder mißtrauen.
An solchen unschöncn Empfindun-
gen fehlt es wiederum auf beidcn
Seiten nicht. Der Kampf der

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