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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 8 (2. Januarheft 1911)
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Gürtler, Franz: Deutsches Theater und "Deutsches Theater"
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Avenarius, Ferdinand: Kinderzeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0118
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Kunst und die Männer und Erscheinungen des antiken Lebens mit-
bringt oder durch ein Theater bekommt, in dem es auf Strecken hin
die Sätze nicht einmal den Wörtern nach versteht? Oder ist in diese
Pläne, die sich wenn irgendwelche Dauerwerten widmen sollten, nicht
doch auch wieder ein Stück Nouveautä-Mode aus der Odipusauffüh--
rung her geflossen? Warum für das Volk, das das Naheliegende noch
nicht oder nicht genügend aufnimmt, das Fernstliegende, Schwerstver--
ständltche, Fremdartige? Sdipus hat in Berlin Erfolg gehabt, ja,
aber kein Einsichtiger wird leugnen, daß die Hälfte davou nach unten
weiterwirkende Sensation der Satten an neuen Würzen war. Braucht
das Volk vor allem Würzen? Der Reizhunger, die Reizgier ist selbst in
großen andern Städten noch eine unbekannte, zum Glück vielfach sogar
eine abgelehnte Lrscheinung. Und eigentlich haben wir doch in Goethe,
Schiller, Hebbel, Kleist, Grillparzer, Hauptmann, Schönherr und andern
auch Dichter, sozusagen.

Noch einmal: wer selbst das ganze Theaterwesen nur uugern zu
einer Kulturangelegenheit aufgebauscht sieht, an solchem Plan einer
großen Kunstdarbietung für breiteste Kreise darf er aufrichtig freudig
teilnehmen. Nm so mehr wird es zur Pflicht, unbekümmert um kritischs
Moden nach Kräften für sachliche und ernste Arbeit zu sprechen.
Wo vielleicht erhebliche Mittel und Kräfte eintreten werden,
mögen die Konsuln doppelt Sorge tragen. Franz Gürtler

Kinderzeichnungen

^m^as ist bei der Beurteilung von Kinderzeichnungen der HLufigste
^-H^Irrtum des Erwachsenen, daß er meint, das Kind wolle und
solle damit tun, was er mit einer Zeichnung will: ein Augen-
bild aus der Wirklichkeit wiedergeben, wie man es sieht. Lassen wir
zunächst den Ausdruck „wollen" Lurchgehn, stimmt denn die Sache
wenigstens dann? Nein, sagt Ricci*, das Kind versucht Menschen

* Sonderbar! Wir Deutschen sind doch gewiß Kinderfreunde, zweitens:
wir Deutschen sind doch sicherlich gründliche Leute, drittens: man be-
trachtet uns bekanntlich als gerade des Schulmeisterns nicht unver-
dächtig, und endlich viertens: wir haben die ncue Bewegung für ästhc-
tische Kultur zum mindestcn nicht weniger tapfcr Letrieben, als irgcnd-
ein andres Volk der Welt, ja wir sind jetzt auf diesen Kampfbahnen so
ziemlich allen um ein paar Nasenlängen voraus. Aber trotzdem: bei
einem dieser „Punkte" sind wir zurück. Wie zeichnet das Kind, wcnn
man's malen läßt, wie's mag? Aus welchen Bedürfnissen, welchen Trieben
heraus? In welchen Beziehungen steht sein „Malen" zu der Entwicklung
seines Ichs? Das müssen wir doch alles wissen, wenn wir dic Möglich-
keiten einer gesunden und natürlichen Ausnutzung der kindlichen Kräfte
kennen wollen! Tatsache ist aber: in der Aufstellung der Literatur über
Kinderkunst, die der Italiener Ricci zusammengebracht hat, sind Eng-
länder, Franzosen und Italiener, ist aber kein cinziger Deutscher vcr-
treten. Sehr lebhaft also hat man diese Fragen von uns aus nicht
behandelt, obgleich wir immerhin einige deutsche Bücher mit einschlägigcn
Bemerkungen haben und ausländische Bücher übersetzten und zumal bei
den Reformbestrebungen iin Zeichenunterricht zu Rate zogen. Lamprecht

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