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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 12 (2. Märzheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Zu Uhdes Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0450
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Iahrg.24 Zweites Märzheft lSl l Heft 12

Zu Ahdes Tod

>-^^.un ist er nicht mehr. Wir haben in den letzten Iahren nur
^V^/wenig von ihm gehört, denn er war leidend, trat aber unser
^ v-Gedanke an seine Kunst, so kam es vom deutschen Süden her
wie ein freundlicher Gruß: er ist noch da. Stille Bilder vom See--
gelände tauchten uns dann wie aus silbrigen Nebeln auf: ein Garten
mit durchflimmertem Laub, sommerlich gekleidete Mädchen darin, die
wir seit ihrer Kinderstube mit heranwachsen gesehen, einen Hund
hinter ihnen, der uns ebenso, erst der eine, dann der andre, jung
und älter, als ihr Hausgesell vertraut war. Eine deutsche Heimstätte,
von außen und innen her durchsonnt, und ein Hausherr, der zwar
nie selber auf diesen Bildern zu betrachten, aber überall in der
Nähe zu fühlen war, denn durch seine Augen sahen wir ja dieses
Heim. Durch seine Augen nur? Fritz von Nhde! Ia, seiner Augen
wegen ist er berühmt geworden. Und war Meistermaler genug, um
als Maler berühmt zu bleiben. Aber uns war er mehr. War er
auch noch mehr, als der religiöse Maler, so hoch wir ihn als solchen
stellten. Kein einziger unter ihnen allen, deren Namen die neue
deutsche Hellmalerei bedeuten, ist in seiner Kunst aus eigner Fülle
reicher gewesen und weiter als er zur Einheit von Form und Gehalt
gedrungen, zum Stil. Zur Einheit von Künstler-- und Menschentum.

Aller jungen Kunst und aller jungen Kunstkritik scheint das Lnt-
scheidende das zu sein, was als neu bewußt wird. Am meisten
als neu bewußt wird, was zum Alten gegensätzlich ist. So soll's ja
auch sein, denn wie wendeten wir alle Kraft auf die neuen Mittel,
erschienen sie uns nicht in unsrer ganzen Arbeit als das Wichtigste?
Ihre Ausprobung gibt ja der Kunst allein das von Fortschrittsmög-
lichkeit, was vom einen zum andern vermittelt werden kann, gibt ihm
die Verstärkung, Verfeinerung und Bereicherung ihrer Sprache.
Aber hier ist die immerwährende Gefahr: daß der Weg mit seinen
Mühen aber auch seinen Reizen wichtiger als das Ziel erscheint, mlt
andern Worten: daß sich die geistige Kraft im Ausbilden der Kunst-
mittel aufbrauche. Während solche Beschränkte hohen Mutes da-
von überzeugt sind, daß gerade sie und sie allein die eigentliche und
wahre Kunst pflegen: erscheinen sie von größerer Höhe aus als
Steckenbleiber auf dem Weg. Denn alle Linie und alle Farbe, alle
Realistik und alles Freilicht bleiben ja doch nur Sprache der Kunst,
„zu sagen, was ich leide". Und aus der Fernschau über die Iahr-
hunderte hin kann sich's wohl zeigen, daß einmal einer mit einem
Stammeln eindringlicher spricht, als der geübte Redner, wenn er
trotz aller Schwäche seiner Mittel aus Eigenem den Ausdruck schuf,
der ihm gemäß war. Man denke daran, wieviel tiefer ins Inner-
liche noch heute ein Giotto ;u uns spricht, als Tausende, gegen deren
Sprache die seine ein Stammeln ist.

Uhde sind die Dinge niemals, es sei denn vor Studien, nur Träger

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