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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Vom Leiden am Feuilleton
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0364
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1 Iahrg. 24 Erstes Märzheft 1911 Heft 11

Vom Leiden am FeuilleLon

^^n den ersten Iahren des Kunstwarts meldete sich bei mir ein
^ t Hilssarbeiter, dem Aufträge zu geben schien ansangs ordentlich
^leine Lust. Man bekam nie ein „Das kann ich nicht" zur Antwort,
mit entgegenkommendem Lächeln überflog er „die Sache", „verstand
vollkommen", lächelte nochmals, wenn man fragte: „Können Sie das
auch V", und nun überlegen, und sagte: „Machen wir!" Keine nen-
nenswerte Zeit, so hatte der Mann mit ein paar großen Griffen an
den Himmel der Denkbarkeiten seine Sätze vom Blauen heruntergeholt,
und nun lag das Manuskript schon auf meinem Tisch. „Aber Herr
Soundso, das stimmt doch nicht!" „Wie, wie? . . . allerdings . . .
gerade daran habe ich nicht gleich gedacht." Er war ein liebens-
würdiger Herr, nur: bei Licht besehen konnte der Alleskönner gar
nichts. Sich zu sammeln schien ihm gar keine Aufgabe. Auf eine
Anregung hin ging in seinem Gehirn sofort ein Puffen und Zischen
durcheinander wie bei Feuerwerksonnen, auch wo's darauf ankam,
nach einem Punkte zu zielen. Doch war das Feuerwerkern ein biß-
chen aus der Ferne und auf ein Viertelstündchen ganz lustig zu sehen.
Hätte der Mann nicht früh umgesattelt, er wäre vielleicht ein beliebter
Feuilletonist geworden. And hätte sich dabei wohl gefühlt, weil er
ein geborener Flachkopf war.

Es sind aber nicht alle Feuilletonisten Flachköpfe. Es gibt reiche
und feine Geister unter ihnen, Geister mit Erkennersehnsucht, Bekenner--
mut und herzlichem Willen, ihren Mitbrüdern durch ihr Wort zu
dienen. Menschen, die mit freudigem Idealismus zur Presse gehn,
nicht, weil sie ihren Beruf verfehlt haben, sondern weil sie hier einen
Beruf für sich sehn. Das sind, die dann am Feuilleton leiden. An
ihren Kräften und ihrem Glück.

Das Feuilleton ist gewiß nicht ohne Wert. Es hat eine Menge
von Kenntnissen verbreitet, die nützlich waren, und eine Menge von
Stimmungen, die anregten. Da es bei Kenntnissen nicht mehr als
Kleinstückwerk geben kann, liegt sein Hauptwert beim Künstlerischen.
Ein künstlerisch reizvolles Feuilleton ist möglich. Es ist ja längst
schon da. Das Feuilleton hat sich gerade in den letzten Iahrzehnten
sehr verfeinert mit seiner literarischen Kleinkunst. Aber diese Kunst
steht unter Bedingungen, die für die Ausübenden oft geradezu tra-
gisch werden. Dann, wenn sie Menschen sind, die von sich verlangen,
daß ihr Beruf Ausfluß und Ausdruck ihres besten Innenlebens sei.

Das Feuilleton ist selten ans Wochenblatt, meist an die Tages-
zeitung gebunden. Mit den politischen Nachrichten kommt es auf den
Morgen- oder Abendtisch, und mit der Tageszeitung — wird's weg-
geworfen. Es hat mit den Tageszeitungen eine außerordentlich große
Auflage. Aber eine, die von Lesern gebildet wird, die ihr Blatt selten
des Feuilletons wegen halten, in der großen Mehrzahl also sozu-
sagen von Zufallslesern. Du magst als Feuilletonschreiber dich noch
so vertiefen wollen, du kannst nicht darauf rechnen, daß du von vielen

^ t. Märzheft chli 29?
 
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