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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 12 (2. Märzheft 1911)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0522
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Lebende Worte

Beim Heimgang Edler

as ist der Vorzug edler Na-
turen, daß ihr Hinscheideu in
höhere Regionen segnend wirkt wie
ihr Verwcilen auf der Erde, daß
sie uns von dorther gleich Sternen
entgcgenleuchten als Richtpunkte,
wohin wir unsern Lauf bei einer
nur zu oft durch Stürme unter-
brochenen Fahrt zu richten haben,
daß diejenigen, zu denen wir uns
als zu Wohlwollendcn und Hilf-
reichcn im Lebcn hinwendeten, nun
die sehnsuchtsvollen Blicke nach sich
ziehen als Vollendete, Selige.

K

Oicht, wie es mit der Finsternis
^"Farbe wirkt, ist ein schönes

Shmbol der Seele, welche mit der
Materie den Körper bildend belebt.
So wie der Purpurglanz der
Abendwolke schwindet und das Grau
des Stoffes zurückbleibt, so ist das
Streben des Menschen. Es ist ein
Entweichen, cin Erblassen des
Seelenlichtes, das aus dem Stoffe
weicht.

>L»ber Abgeschiedene eigentlich Ge-
^4-richt haltcn zu wollen, möchtc
niemals der Billigkeit gemäß sein.
Wir leiden alle am Leben; wer
will uns außer Gott zur Rechen-
schaft ziehcn? Nicht, was sie gefehlt
und gelitten, sondern was sie ge-
leistet und getan, beschäftige die
Hinterbliebenen! (Goethe)

Unsre Bilder und Noten

^fV*sährcnd dicses Heft von der Schriftleitung abgeschlosscn wärd,
^/x^kam die Nachricht von Uhdes Tod — unsre Leser werden cs
^villigen, daß wir alle andern Bilderbeilagen zurückstellen, um
auch dem äußern Eindruck nach dieses Kunstwartheft Fritz von Ahde
zu widmen. So fügen wir noch einmal sein Bildnis zu unsern Zeilen,
wie es Leo Samberger so trefflich gezeichnet hat. Und lassen im
übrigen den Meister selber mit seiner Kunst zu uns sprechen. Aber nicht
mit den bekannten großen Bildern, nicht mit den allgemein als solchen
anerkannten „Hauptwerken", die allen unsern Lescrn vertraut sind.

Freilich, ein Bild wie die „Flucht nach Aghpten", das noch
nicht zu Uhdes berühmtesten gehört, verdiente dazugereiht zu werden.'
Ich wünschte den Heiligenschein vom Christuskinde weg, und nicht bloß,
weil's fast so aussieht, als hielte ihn die Mutter mit der Hand. Wir
seheu daS Gesicht des Kindleins nicht, und so fällt die seelische Beziehung
weg, die iu andern Uhdeschen Bildern den Reif aus der Heiligkeit des Auge-
sichts gleichsam ausstrahlen läßt. Wir werden durch den Lichtring auch gar
zu schr gcbunden, in den beiden Wanderern Maria und Ioseph zu sehen.
Ich wcnigstens würde hier, anders als bei den meisten religiösen Bil-
dern Uhdes, nicht so bestimmt gerade diese erkennen. Aber wie schön
ist die Stimmung des Ganzen! Ob Maria und Ioseph oder Menschen-
kindcr gleich uns, gleichviel: zwei Flüchtende und Suchende. Sie die
Arme fest um ihr Teuerstes, die Augen auf dem Ungewissen vor ihr,
die Gedanken beim Kommenden. Er vicl minder erregt, mit freundlich-
ruhigem Vcrweilen beim jungen Leben dort. Wundervoll die Naturstim-
mung der Halbnacht. Und auch malerisch die Lichtwerte aufs feinste gewogen.

Der „W i n t e r a b e n d" gehört, was die Gestalt betrifft, zu der nicht
ganz kleinen Reihe von Abwandlungen des „heiligen Abends", mit dem

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Kunstwart XXIV, (2
 
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