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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 7 (1. Januarheft 1911)
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Gregori, Ferdinand: Grundzüge der Inszenierung
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Avenarius, Ferdinand: Handzeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0025
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schildern' Das Zimmer wird also mit allen erdenklichen charakteristisch--
echten Möbeln, mit wirklichem Hausrat ausgeputzt, der Garten mit
frischen Sträuchern und Blumen. Der Dichter gibt schon in seinen
Parenthesen aufs genaueste die Größe des Raumes an; die Bühne
wird also nötigenfalls durch Einbauten verengt und fest abgeschlossen.
Er erwähnt jede Blumentopfmanschette und den Vogelkäfig am Fen--
ster, den dampfenden, mit Suppe gefüllten Topf aus dem Herd; er
schreibt den Darstellern Gewänder und Masken vor, und die Inszenie--
rung hat sich allen Anordnungen nach Möglichkeit zu fügen.

Es ist zur Sitte geworden, daß die Theater die lebenden Dichter
zur Aufführung, ja zur Teilnahme an den Proben einladen. Ob sich
auch mancherlei zur Verteidigung dieses Brauches vorbringen läßt,
so spricht doch auch sehr vieles dagegen. Die Erfahrung hat gezeigt,
daß er dem Erfolge mehr im Wege ist als ihm nützt. Entweder sagt
der Verfasser zu allem ja, was man ihm vorführt, und hindert damit
das frische fröhliche Lxperimentieren der Schauspieler, denen die Zu°
stimmung wie eine Kanonisierung erscheint; oder er greift allzu tief
in das Getriebe des schauspielerischen Berufes ein, in dem er meist
nur Dilettant ist. Wie der Darsteller dem Dichter vertraut, indem er
seine Vorschriften bis ins kleinste nach Vermögen zu erfüllen trachtet,
so sollte auch der Dichter sein Werk ohne Angste und Zweifel dem
Theater überlassen. Man wird seinen Rat gewiß einholen, um sich
über dunkle Stellen zu vergewissern; ihm selbst aber wird es nie
gelingen, aus unfähigen Schauspielern fähige zu machen. Dadurch,
daß er zu viel und zu vielerlei von ihnen verlangt und in einer
Sprache, die ihnen nicht geläufig ist, unterbindet er ihre Lust, ver-
wirrt er sie, und sie verlieren mit dem Glauben ans Gelingen auch
leicht ihre persönlichen Vorzüge, also die Wirkungsmöglichkeit.

Ferdinand Gregori

Handzeichnungen

Pnblikationen nach Handzeichnungen gehören zu
(den Seltenheiten, denn wann nnd wie immer sie erschienen
sind, sie haben sast ohne Ausnahme nur in höchst bescheidensn
Grenzen Erfolg gehabt. Das wird auch noch lange so bleiben. Denn
wenn nicht gerade, wie bei Illustrationen, stoffliches Interesse, oder,
wie bei Witzblättern, Freude am Scherz dabei ist, geht es nicht anders:
man muß, um gute Handzeichnungen zu genießen, Freude am eigent--
lich Kü n stle r is chen haben. Man muß sie „lesen" können nicht
nur auf das, was sie dem Auge jedes Kindes zeigen, auch auf das, was
bei ihnen zwischen den Zeilen steht. Nein, indem wir diesen Vergleich
gebrauchen, sehn wir schon, wie stark er hinkt: nicht, was zwischen
den Zeilen steht, gibt ja bei künstlerischen Zeichnungen das Feinste,
sondern gerade die Schrift selber. S o würde der Vergleich besser
stimmen: Man muß diese Schrift uicht nur lesen können auf das,
was sie mit dem allgemeinen Alphabet, sondern auch auf das, was sie
mit Druck und Nichtdruck, mit Gleiten und Stocken, mit Pausen und
Schnörkeln erzählt: man muß sie auch als Handschriftendeu--
ter lesen. Und so nahe das liegt und so sehr sich's dem Kunstfreund


Kuustwart XXIV, 7
 
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