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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 10 (2. Feburarheft 1911)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0315
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hatte darüber harte Augen und einen engen Mund gekriegt und vor der
Zeit ganz graue Haare.

Nun waren sie schneeweiß gcworden, wo er knapp fünfzig Iahre alt war.
Aber die fünfundzwanzig Kriegsjahre hatten doppeltes Gewicht; er kam
sich vor, als wenn er schon achtzig auf dem Puckel hatte. Er wurde
wieder ganz gesund, er ging dahin wie ein junger Mann, er konnte
arbeiten wie ein Knecht von fünfundzwanzig, er hielt noch eine volle
Sense mit einer Hand wagerecht, cr hatte kein bißchen von seinem Gesicht
und Gehör verloren, er konnte noch über das ganze Dorf schreicn, er ritt
wie ein Iunge, er aß wic ein Drescher, aber alt war er darum doch.

Rundschau

Mut

»,»m den Mut ist es bekanntlich
^t-keine so ganz einfache Sache,
wie meint, wer sich das Denken
leicht macht. Leute, die sich festen
Auges der Pistole stellen, ent-
sctzen sich bei dem Gedanken an
einen Skandal, selbst wenn ihr
Gcwissen rcin ist, ja, an ein kri--
tisches Zeitungsnotizchen wider sie,
und Männer, die kaltblütig bei
lcbensgefährlichen Klettereien sind,
fürchten sich vor dem Stirnrun-
zeln eines Vorgesetzten oder dem
Schmollen der Gattin. Es kom-
men halt bei Erregungen wie
Hcmmungen sehr verschiedene
Seelenkräftc in Betracht. Vor
allen die Phantasie, aber dic ist
ja sclbst wieder, was man unter
den Damen eine „komplizierte
Natur" nennt: sie kann bei Vor-
stellungen einer Art träg wie ein
Faultier und bei andern munter
wie ein Wicsel sein, und außerdem
ist sie nervös odcr nicht nervös.

Zu dcm kleinen Vermerk, wegen
dessen ich diese Zeilen schreibe,
kommen wir aber, gottlob!, ohne
Eingehen auf das vcrwickeltc Wesen
des Mutes, denn hier handelt
sich's um ganz einfache, ganz klare
Formen, und gerade das halte ich
für wichtig. Fast aus allen zivi-
lisierten Ländern, germanischen,
slawischen und romanischen sind in

der letzten Zeit, wie mir scheint,
ungewöhnlich viel Beispiele
jenes Wagemuts hervorgetreten,
der Haut und Knochen riskiert. Es
geschah kein Massenunglück in letz-
ter Zeit, ohne daß wir zugleich
von der oder jener Tat des Hel-
dentums lasen. An das echte Hel-
dentum der Pflichterfüllnng, mit
dem sich neulich die Führer unsres
Unterseeboots opferten, will ich da-
bei noch gar nicht erinnern, weil
hierbei noch andre ethische Werte
mitwirkten. Nein, man denke nur
an die Aviatiker. Ieder wagt sein
Leben, jeder weiß es, und Un°
glücksfälle über Unglücksfälle be-
stätigen es ihm, während auf der
andern Seitc der Gewinn an Geld
und Ruhm nicht mehr so un°
menschlich groß ist, daß er so hals-
brechcrischen Wagnissen entsprc-
chende Preise und damit Stache-
l lungen setzte. Dennoch: in Frank-
! reich allein wagt schon ein halbes
Tausend von Menschen Flüge ohne
tragendes Gas. Nicht einige ein-
zelne wagen's, sondern rund fünf-
hundert. Und man findet das auch
in andern Ländern ziemlich natür-
lich, beispielsweise: man zweifelt
durchaus nicht daran, daß sich auch
in Deutschland Todesmutige genug
finden werden, sobald die andern
Bedingungen für eine Entwicklung
der Aviatik gegebcn sind.

2. Februarheft Ml 25st

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