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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Gegen die Farbendrucke
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0207
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Iahrg. 24 Erstes Februarheft 1911 Heft 9


Gegen die Farbendrucke

so muß man schreiben, um enülich gehört zu werden. Ob-
^L gleich's eigentlich nicht stimmt. Aber davon später.
t^FBeginnen wir mit einem Beispiel. Nicht wahr, verehrter Leser,
Sie kennen die „Bunten Blätter" von Römmler §: Ionas? Die
haben meinen „Meisterbildern" alles Außere nachgemacht, damit man
denken sollte, sie kämen vom Kunstwart: Format, Größe, Nmschlag,
Papierfarbe, Rahmenzeichnung, Druckfarbe, Drucklettern, Text —
alles, sogar das Schild mit der Aufschrift „Herausgegeben vom Kunst-
wart", nur daß statt des „Kunstwart" das Wort „Kunstverlag" prangt,
das zwar nicht das mindeste sagt, bei flüchtigem Hinsehn aber ungefähr
so wie „Kunstwart" aussieht. Man kann eine Flagge nicht besser aner-
kennen, als dadurch, daß man unter ihr zu schmuggeln sucht, ich könnte
den Herren für die Ehrung danken. Aber leider werd ich nun sound-
so oft für die „Bunten Blätter" verantwortlich gemacht. Ich, der ich
diese Art Blätter für das allersicherste Mittel halte, unserm Volk den
Sinn für Farbe von Grund aus zu verderben! Nun sind wir bei
dem, wovon ich wieder mal sprechen möchte: beim Ruinieren des
Sinns für Kolorit durch die wahllose Verbreitung photomechanischer
Farbendrucke. Denn diese sind nicht nur dann Augengift, wenn sie
schlecht sind, wie die meisten, die Publikus bewundert. Sondern sie
verderben den Farbensinn, und mehr als den Farbensinn, sehr oft sogar
dann, wenn sie gut, ja, wenn sie so vortrefflich sind, wie sie ihrer Technik
nach überhaupt sein können. Sei mir's erlaubt, nochmals kurz zu be-
gründen, weshalb, und da mir die „Bunten Blätter" in die Schuhe
geschoben werden, gerade von den „Bunten Blättern" Beispiele zu
nehmen.

Betrachten wir die Farbe zunächst rein als Stoff, als Pigment.
Beim Original beispielsweise: Leinwand oder Holz und darauf
pastose Olfarbe und Firnis, bei der Reproduktion: Papier mit einem
Minimum von Druckfarbe. Das bedeutet: Was ein Kolorist vielleicht
nur mit viertelfingerdickem gespachtelten Auftrag, was ein andrer
nur mit Lasuren über Lasuren erzielt hat, das soll eine Druckfarbe
„reproduzieren", die vom Papier entweder ganz eingesogen wird,
oder als ein unmeßbar dünner Hauch darüberliegt. Das ist einfach
optisch unmöglich. Man kann überhaupt nur eingesogen dünnen oder
matten Farbenauftrag, zum Beispiel den von Aquarellen, mit Drucktech-
nik wiedergeben. Wie lernen wir eines Raffael, Tizian, Rembrandt
Kolorit zu sehn, wenn wir glauben, irgendwas künstlerisch Wesentliches
davon in den Reproduktionen mit eingesogenen Farbwässerlein zu fin-
den? Warum malten denn jene Meister überhaupt, von deren unsäg-
lichem Ringen um die Kraft der Farbe wir doch wissen? Auch sie
haben gelegentlich mit ganz dünnen Farben „getuscht". Aber man
betrachte ein einziges solches getuschtes Original, und man wird mit
dem ersten Blick erkennen, daß sie dann ganz anders arbeiteten,
als in den Slbildern. Pastoser Auftrag und dünnes Tuschen bedeuten

s. Februarheft Mi sös
 
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