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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Gegen die Farbendrucke
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0208
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wesensverschi.edene Strle, in den photomechanischen Drucken nach
pastosen Gemälden wird das eine durch das andre imitiert.

Zweitens: bis auf einen von tausend sind alle photomechanischen
Farbendrucke nach Galeriebildern, Fresken usw. Verkleinerun-
gen. Aber ein großes Bild hier und ein kleines dort, sie entstehen
und werden betrachtet auch in dieser Beziehung unter ganz ver-
schiedenen Gesehen. Was das Betrachten anlangt: Die Luftperspek-
tive, die beim Wandbild mitwirkt, fällt vor dem Blatt in der Hand
fast weg, die Stellung der Betrachteraugen ist dort und hier eine
andre, die Rmgebung wirkt anders mit usw. Viel wichtiger jedoch sind
die Unterschiede beim Schafsensprozeß. Um zur schnellsten Beleuchtung
der Sache ein recht krasses Beispiel zu uehmen: wer wird sich vor°
stellen, daß Michelangelo sein Iüngstes Gericht für das Bildchen
eines Hausaltars ebenso komponiert hätte, wie für die Wand der
Sixtina? Ein minder krasses: daß Böcklin seine „Gefilde der Seligen"
für Postkartengröße ebenso wie für sein Gemälde entworfen hätte?
In Dürers großer und kleiner Passion und in der Menge von Be-
handlungen gleicher Themen für große und kleine Ausführung, die
wir sonst noch aus der Kunstgeschichte kennen, sind die kleinen Aus-
führungen von den großen sosort zu unterscheiden. Auch wenn wir
nicht die Originale, sondern nur Photos iu gleicher Größe, sagen wir:
„Ansichtspostkarten" vor uns haben. Daran, daß die kleinen Aus-
führungen einsacher sind. Die Gestaltenzahl wird geringer, der
Massen werden weniger, der Farben weniger, die Linien werden
einfacher. Eine photomechanische Reproduktion kann deshalb, gleich
sorgfältige Ausführung vorausgesetzt, in dieser Beziehung je besser
sein, je weniger die Größe des Originals die der Reproduktion über-
trifft. Dieses im Sinn, denke man an die Blätter oder gar Karten
nach großen Tafelbildern oder gar Wandgemälden!

Aber, so fragt man, wird das Ganze denn nicht übertragen,
so daß es immerhin insich gut werden kann? Aber da steckt ja gerade
der Haken, daß esnicht übertragen, sondern mechanisch nachgemacht
wird. Man frage einen Maler, der etwa ein Aquarell nach einem
Olbild machen will, ob er sich bemühen wird, alle Töne, die dort sind,
genau so wiederzugeben, wie sie dort sind, — und er wird einen aus-
lachen. Er verzichtet auf die besondern Reize der Slfarbe, die
er doch nicht erreichen kann, und benützt die besondern Reize der
Wasserfarbe, mit andern Worten: er übersetzt. Ebenso ist's bei der
Äbersetzung von groß zu klein, und ist es immer. Wer berühmter Bei-
spiele gedenken will, gedenke der farbigen englischen Blätter nach den
Malern jener Zeit. Die photomechanische Reproduktion dagegen kann
ja ihrem Wesen nach nicht übersetzen, sie kann nur reduzieren. Selbst
bei dem Verkleinern in gleicher Technik würde der Kopierer statt der
zehn Farbentöne dort auf dem Gewaud einen vereinfachenden wählen.
Der Photomechaniker dagegen kann uur die zehn durcheinanderrühren,
und nicht bloß optisch, sondern mit Farbenmaterialien, was aus dem
Kolorite soundso oft einfach Schmutz macht.

Deshalb sind für ein gebildetes Auge „buute Blätter" uach großeu
OlbilLern das, was sie sich nennen: „bunte" aber nicht im künstle-
rischen Sinne „farbige" Blätter. Es ist geradezu ein Alaßstab

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