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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 12 (2. Märzheft 1911)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0523
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auch die „Flucht nach Agypten" inuerlich sehr verwandt ist. Aber ge-
rade die Vergleichung zeigt, daß Uhde, wie sehr er auch von der Natur
ausging, seine Gestalten bei seinen besten religiösen Bildern sehr stark
idealisicrte. Auf dem „Wintcrabend" eine Arbeiterfrau mit dem Ein-
holekörbchcn, der das Besorgen schou recht sauer wird, auf dem „heiligen
Abend" dasselbe Modell, aber zum Höchsten geadelt. Die Naturstim-
mung auch hier außerordentlich schön.

„Der Gang nach Emmaus" ist nicht sehr bekannt. Es lohnt
sich gut, die Gruppe der drei Männer recht aufmerksam anzusehn. Die
höchste Versenktheit der beiden Lauschenden, in denen, nach der Bibel
wundersamem Wort, „das Herz brennt", da der noch Unerkannte zu
ihnen spricht! Aber der Alte ganz nachsinnend, der Iunge ganz
nachfühlend. Dazu die holde Welt im Karfreitagszauber, traurig
und doch süß, versonnen schier, und verheißend.

„Bekümmert" ist eben ein Menschenlosbild. Worte braucht's
^richt dazu. Auch nicht darüber, wie malerisch schön es ist. War
doch Uhde einer der ersten unter den Neueren, welche auch die „Zimmer-
luft" zugleich in ihrcn Lichtfeinheiten zu gestalten und mit dem Seelischen
der Werke zusammenzuweben wußten.

„Die große Schwester" wolle man als ein Beispiel dafür be-
trachten, in wie Häßlichem Uhde das Schöne zu finden wußte. Der
Proletarierbackfisch in dcn abgelegten Kleidern der nächstgrößeren
Schwester hat für den ersten Blick gewiß so wenig von Wohlgefälligkeit,
wie das häßliche und häßlich angezogene Kind, das sie huckepack trägt.
Wie hätte ein Sentimcntaler fürs Familicnblatt das Motiv umgefärbt!
Uhde überläßt es dem Beschauer: entwcder du siehst mit mir die Schön-
heit darin oder nicht — das Schön - S ch m i n k e n ist andrer Leute /
Sache. Siehst du sie aber, so wird sie dich um so mehr ergreifen, wenn
du sie in solcher Wirklichkeit gesunden hast — und du wirst sie
künflig dann auch in solcher Wirklichkeit wiederfinden, in der du bisher
uur das Häßliche sahst.

Aber Uhde konnte auch Schönheit gestalten, wenn er sie gestalten
wollte, das besagt: wenn der Gegenstand sie zu gestalten erlaubtc oder
verlangte. Auch dann keine Schönhcit, die sich auftragen läßt, immer
eine, dic aus dem erwuchs, was die Wirklichkeit darbot. Wir bringcn
einen Ausschnitt aus „Lasset die Kindlein zu mir kommen",
von dessen Ganzem der schöne große Neproduktionen von der Photo-
graphischen Union in München beziehen kann, dem die Kunstwart-
Mappenblätter nicht genügen. In unsrer Uhde-Mappe sind die drei
Kleinstcn dieser Gruppe in drei verschiedenen Größen abgebildet, um zu
zeigen, wie immer nene Schönheiten erstehen, je näher wir an diese
Kinder herantreten. Würde nichts als dieses Bild, nein, nur diese
Gruppe von Uhde erhalten, man würde an ihr erkennen, daß er tat-
sächlich der größtc Kindermaler unsrer heutigen Kunst war.

Wenn man das Bild „Zwei Kinder" mit dem großen Leipziger
Wcrke vergleicht, sicht man wieder den Weg vom Modell zum durch-
gcistigtcu Werk. Aber als Modelle, als Kindcr, mit welcher Lebens-
wahrheit sind die beiden erfaßt, gerade i n ihrem auferlegten „Stillstehn".

Die Illustrationen im Tert sind der Insel-Ausgabc des Hans
Sachs entnommen, die in der Nundschau dieses Heftes angezeigt wird. A

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