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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 11 (1. Märzheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Vom Leiden am Feuilleton
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0365
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mit Vertiefung gelesen wirst. Daß man mit dir zusammen weiterbaue
auf dem, was du früher gesagt hast. Nicht einmal darauf, daß man
sich deiner früheren Worte auch nur erinnere. Deiner Arbeit fehlt
der geordnete und in den Köpfen der andern ordnende Zusammenhang.
Ieder Beitrag muß für sich selber glänzen und locken und muß mit
sich selber fertig sein. Sein Gehalt muß nach aller Möglichkeit an
die Außenseite gelegt werden. Er muß ja auch dekorieren, muß die
Zeitung als solche schmücken. Muß „brillieren" machen, wie er
„Brillanten" bringt. Nichts „entsetzlicher", als wenn er's ernst nimmt,
wenn er „fad", wenn er gar „schulmeisterlich" ist. Immer heiter, inimer
witzig, immer geistreich — immer so, als ließen sich die Dinge, die
man behandelt, in der Viertelstunde erledigen, die man Sprech--
zeit hat. Vor allem: hersehen müssen sie. Stehst du auf dem
Kopf, so tun sie's wohl am meisten: werde Kopfclown, so klatschen die
Hände am lautesten, und aufs laute Klatschen kommt's hier au.

Bedenkt man, daß solche Forderungen aus dem Weseu des Feuille--
tons sich ganz natürlich, daß sie sich geradezu als seine Stilforde-
rungeu ergeben, so kann man bei aller Abneigung gegen einzelne
Leute von der Entwicklung des modernen deutschen Feuilletons doch
nicht ohne Respekt reden. Das Feuilleton der besten deutschen Zeitun--
gen ringt darum, trotz dieses der Gattung innewohnenden Fluches
gut zu sein. Der künstlerischen Verseinerung des Feuilletons durch
die Feuilletonisten selbst gedachte ich schon, aber auch die Redakteure
und Verleger haben das Ihrige getan, aus dem deutschen Feuilleton
so viel wie nur möglich zu entwickeln. Einige große Tageszeitungen
sind „unter dem Strich" tagweise Fundgruben feiner Sachen und
Sächelchen, und einige haben ja sogar „Nnterhaltungsbeilagen" aus--
gebildet, die eigentlich gute täglich erscheinende Zeitschriften bedeuten.
Die Beteiligten wissen das und dürfen es wissen. Die Feuilletonisten
suchen ihre besten Beiträge durch Sammelbände von dem Nntergang
mit dem Zeitungsblatte zu retten. Aber abgesehen davon, daß sie
dann meistens doch nur ein recht kleines Publikum finden, nachträg-
lich verändern ließe sich gerade ein Ding vou künstlerischem Charakter
nicht ohne Bruch. Man läßt es also, wie man's lassen muß: in einer
Form, die dem Tagesbcdarf eines Zeitungspublikums angepaßt war.
Nnd also für das Buch wieder in einer unzweckmäßigen, stillosen Form.

Nun gibt es ja wie für jede Spezialität auch für Feuilletons spe--
zialistische Talente. Begabungen rein fürs Plaudern, denen es nichts
schadet, gefällig und obenhin jahrzchntelang leichte Ware zu produ--
zieren, Talente des schillernden Spiels, für die es ebenso wie für den
Zuschauer gleichgültig ist, wenn ihre Seifenblasen platzen. Aber gerade
solche Talente haben wir unter den Deutschen, auch unter den jüdischen
Deutschen durchaus nicht viel, und da sie geistig arm sind, schreiben
sie sich auch bald aus. Nnsre meisten guten Feuilletonisten sind
Männer ernsteren Wollens und größeren Strebens, weil größeren
Vermögens. Sie wollen erkennen und erkennen helfen. Schreiben
sie nur gelegentlich Feuilletons, sind sie Feuilletonisten nur im Neben--
berufe, so mag sich's machen. Ein häufiges Feuilletonschreiben aber
verlangt selbst von dem Mann mit spezifischer Plauderbegabung so viel
künstlerische Äbung und Arbeit, daß er ein anderes Gebiet der gei-

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