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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Vom Leiden am Feuilleton
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0366
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stigen Tätigkeit, ein Gebiet, auf dem er sich bis zur Vefriedigung aus-
arbeitete, kaum auch noch bebauen kann.

Der Feuilletonist muß stets leicht verständlich sein oder doch leicht
verständlich scheinen. Das muß bei der Mehrzahl der Schreiber (zu--
mal der Schreiber ums Vrot) allmählich dazu führen, die Schwierig-
keiten zu übersehen oder doch zu ignorieren und nur das herauszu--
holen, was auf der Oberfläche schaukeln kann. Um so mehr, als
das Feuilleton auch stets so wirken muß, als sei dem Schreiber das
Schreiben ganz leicht geworden. Dann: da das Feuilleton wirklich
oder scheinbar künstlerische Form haben soll, so sind eben auf das
Formen feinere Geisteskräfte zu verwenden — aber anderseits: Umfang
und leichtverständliche Weise sind vorgeschrieben, es ist also doch kein
freies Gestalten als Ausdruck der Forderungen möglich, welche die Sache
und anderseits die Persönlichkeit des Schreibenden stellt. Immer nur
die Forderung des Feuilletonstils: Plaudere über etwas. So droht
die Gefahr des Manierismus, der wir so viele der feinen und feinsten
Köpfe unter den Feuilletonisten erliegen sehen.

Ich will hoffen, daß ich mich täusche, aber mir scheint: das Feuilleton
fordert „Menschenopfer unerhört". Ich habe schon manchen gekannt,
der schließlich mit Ekel und Bitterkeit auf eine Schriftstellerei sah, die
dem Publikum Heiterkeit und Geistgesprüh vortänzelte. Manchen, der
sich bei der nüchternsten Erwerbsarbeit im Grunde wohler gefühlt
hätte, als bei dieser, wo jedes Weiterdringenwollen auf die Gittertür
mit der Inschrist stößt: „Hier hört das Reich des Feuilletons auf."
Und es waren und sind durchaus nicht nur „Schornalisten" und
tzändler mit Schmockbrillanten, denen es so ging und geht. Es sind
und waren vortreffliche Menschen und ernste Köpfe dabei, die ursprüng-
lich nichts zum Feuilleton geführt hatte als der Wunsch: in recht
weiten Kreisen des Volkes für gute und echte Werte in moderner Form
zu wirken. Wirkliche Denker und wirkliche Dichter haben am Feuilleton
gelitten und sind am Feuilleton gestorben.

Wie seine Schreiber leiden seine Leser an ihm. Unter den Denken-
den ist es längst eine Banalität, zu sagen: läsen wir mehr Bücher
und weniger Zeitungen, so wäre das für unsre innere Kultur bekömm-
licher. Es hilft uns doch nichts, wir kommen vorläufig vom Feuilleton
nicht los. Ansre äußere Kultur, unsre Zivilisation hat sich so ent-
wickelt, daß sie den zum Lesen von Zeitungen zwingt, der als
Beteiligter und Wirkender in seiner Zeit und mit ihr leben
will. Es ist nicht nur Neigung und Bequemlichkeit, es ist auch die
Pslicht, die uns die Zeitung zur Hand gibt. Und mit der Zeitung lebt
das Feuilleton. Ob uns seine Gattung als solche behagt oder miß-
sällt, wir müssen denen danken, die sich bemühn, seine Möglichkeiten
im Kulturinteresse auszunützen, wie sie ebensogut gegen die Kultur
ausgenützt werden können.

Die unverkennbare Verbesserung der Feuilletons seit Lindaus und
Blumenthals Blütetagen erweckt immerhin Hoffnungen. Das bloße
„Scherzen", um sich zu produzieren, das witzelnde Seiltänzeln und
logische Reifenspringen, eben: das Kopfclowntum ist heute entschieden
weniger angesehn und weniger beliebt — es machen lange nicht mehr so
viele Iünglinge, wie zur Gründerzeit, bloß damit ihr Glück. Die Misch-

s. Märzheft Gll
 
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