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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 12 (2. Märzheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Zu Uhdes Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0451
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von Farbe und Licht gewesen, nur malerische Erscheinung — wie so
vielen, die mit ihm strebten. Aber auch zu denen gehörte er nicht,
die die Dinge zwar nicht nur als Farbflecke nahmen, sondern als
Dinge, nun aber, wie sie sind, mit annähernd gleichem kühl objektiven
Interesse an ihnen allen. Dieser Mann, dem man in seinen An--
fängen nichts lieber vorgeworfen hat, als er male tzäßliche und Ver-
brecher, war wie gar kein andrer unter den Zeitgenossen seiner Kunst
aus dem Verlangen des tiefsten Innern heraus ein Sucher nach
Schönheit und ein Sucher nach Güte. Man sah die Pfützen, er
sah die Sonne darin — wie das ganz wirklich gilt, so gilt es bild-
lich: man sah die Körperhäßlichkeit, er sah die Seelenschönheit darin.
And ohne jegliche Verschleierung und ohne jede Verschönung und
Beschönigung der Erscheinung hob er dieses Seelische ans Licht, bis
es das körperlich Häßliche auch für des Beschauers Auge besiegte.
Mit um so stärkerer Lindruckswucht, je häßlicher dem durchs Schmei-
cheln verzogenen und verzärtelten Auge zunächst die Gestalt erschien.
Mit der schier dramatischen Kraft: sieh, die Seele triumphiert über
den Leib. Mit der schier beseligenden Kraft: sieh, es ist wirklich,
was du hier tzohes siehst. Ist wirklich und ist mitten unter uns, in
deinem Heute, in deinem Volk. Keiner hat so im Alltag den Sonntag
zu finden gewußt wie Uhde. Den Sonntag in Armut und Kärglich-
keit. Er hat schon als der größte Kindermaler seiner Zeit ganz neue
Typen, man könnte sagen: der inneren Sonntäglichkeit entdeckt und
gestaltet. Da war es zum Religiösen auch im engeren Sinne des
Worts nicht weit. Sein Iesus, der in die Hütten trat, seine Maria,
die im Stalle gebar, sie waren einer göttlichen Seele mit dsm Besten
in diesem Irdischen rings, deren Knechtsgestalten der Osterglanz adelte.

Soll ich von all dem noch einmal sprechen? Ich habe es oft
im Kunstwart getan, der Uhde Heste und zu seinem Ehrentag einc
unsrer größten Künstlermappen gewidmet hat. Es ist nicht die Stim-
mung jetzt zum Wiederholen und Auseinanderbreiten. Bei seinem
Auftreten hier bestaunt und dort geschmäht, hat Ahde nach und nach
das tzöchste erreicht, was einem wie ihm nur werden konnte: er ward
bewundert und zugleich geliebt. Das Bittere in seinem Schicksal und
der schwere Vorwurf für seine Zeit bleibt der: daß die Kirchs fast
überall an diesem Meister vorbeisah, der wie kein andrer seiner Zeit
berufen war, über ihren Altären die innerlichste Religiosität aufleben
und aus dem Gotteshaus hinauswirken zu lassen ins Volk. Uhde hat
seine Zurückstellung hinter die Maler vom schönen Faltenwurf und
wohlgeordneten Lockenhaar verwunden. Unserm Volke gehörte und
gshört er doch. And wie es mehr und mehr wieder fähig werden
wird, auch in der Kunst durch die Körper Seelen zu sehn, so wird mehr
und mehr von dem, was in Ahde lebte, in ihm selber aufleben, wenn
es dieses Teuren gedenkt. A

Kunstwart XXIV, 12
 
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