Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1911)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0216
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gegeben, die wohl die grundlegende Veröffentlichung liliencronischer Briefe
bleiben wird.

Die Ziffer der da vereinigten Briefe zu ermitteln, wäre einigermaßen
mühsam. Dehmel hat es unter seiner Poetenwürde gefunden, die einzelnen
Stücke zu numerieren oder wenigstcns beim Verzeichnis der Empfänger die
Seitenzahl der Briefanfänge beizufügen; wie denn auch ein Rcgister der
im Text vorkommenden Personen und Gegenstände fehlt. Wenn man an°
nimmt, daß im Durchschnitt ungefähr auf jeden Brief eine Druckseite kommt,
so sind sechs- bis siebenhundert Briefe hier dargeboten, die in Postkarten-
und Billettform eingeschlossen. Von den dreitausend Schriftstücken, die
Dehmel selber von Liliencron empfing, hat er auf dessen Wunsch fast zwei
Drittel vernichtet; vom Rest hat er sicherlich nicht übertrieben viel, eher zu
wenig mitgeteilt. Den Gesamtumfang von Liliencrons Briefschreibewerk
schätzt Dehmel auf mehr als vierzigtausend Stück.

Welche Fülle von Selbstoffenbarung, von Schreibefleiß bedeutet das,
wieviel rastlose Liebe zur schriftlichcn Unterhaltung, wieviel ungesichtete
Poesie — bis die zunehmende Berühmtheit eine immer ungeheuerlichere
Korrespondenzlast auf ihn wälzte! Vergeblich (da er ja doch ein geborener
Briefschreiber blieb) wehrte er sich dagegen, mit Stöhnen und Zürnen
und schließlich mit dieser denkwürdigen gedruckten Postkarte, die eben
doch nicht jedesmal zu verwenden war:

Euer Wohlgeborcn zur Nachricht, daß ich wegen ewigen Besuchs,
ewiger Linladungen, ewiger Störung, wegen schwerster Äber-
lastung mit Korrespondenz, Manuskript- und Büchersendungen,
wegen Anfragen, Rundfragen, Wohltätigkeitsanliegen, wegen Be-
stürmung mit Aufrufen, Depcschen, zahlreichen Bitten und Gesuchen
jeder Art, z. B. um Prologe, Epiloge, Hochzeitskarmina, Grabsprüche,
Festgedichte, Stammbuchverse, Autographen usw. usw. völlig außer-
stande bin, auf jede Einsendung, Zuschrift und dergleichen zu ant-
worten. Erlauben Sie mir gütigst, Ihnen in dieser Form meinen
tief empfundenen Dank auszusprechen. Detlev Baron Liliencron

Dehmels Auslese wird bereits (weiteres bleibt schwerlich aus) ergänzt
durch eine Sondersammlung, die einen vierjährigen Briefwechsel mit
einem einzelnen unverkürzt wiedergibt: „Detlev von Liliencrons Briefe
an Hermann Friedrichs aus den Iahren (835—(88Z" (Berlin,
Concordia. Mit Einleitung, Anmerkungen und Personenregister). Fried-
richs, der sich Ende der neunziger Iahre aus dcm literarischen Leben zu°
rückgezogen hat, leitete von (885 (bis April (386) das „Magazin für
Litcratur". Mit einem Bravo! für Friedrichs' Artikel „Die Clauren-
Marlitt" beginnt die Briefreihe. Ein paar charakteristische Stücke daraus
sind auch in Dehmels Sammlung aufgenommen, doch hat dieser Band
neben ihr scinc Daseinsbcrechtigung.

In den vielen Bricfen des angehenden Dichters an Friedrichs wird
die unablässige Sorge des „Naturalisten" Liliencron um die reinste künst-
lcrische Form, namcntlich um das sauberste Deutsch, wird die jüngst-
dcutsche „Revolution" der deutschen Literatur weit gründlicher erörtert
als in der Hauptsammlung. Wer starkes Interesse für Technik der Poesie
und für neuere Literaturgeschichte hcgt, wird daher die Briefe an Hermann
Friedrichs nicht entbehren mögen. Für die Hauptsammlung ist das
kein Vorwurf, für Dchmels ausgcwählte Liliencron-Briefe galt eine andere

(. Februarheft (9(( (69
 
Annotationen