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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0261
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zubewahren. Um einen Anfang
zu machen, sollen im nächsten
Iahre in Berlin und darauf auch
in der Provinz solche Schülerzeich-
nungen ausgestellt werden.

Das ist eine Verfügung, die
durch ihren Inhalt fast roman-
tisch klingt und durch ihre un-
bureaukratische Form shmpathisch
berührt; sie fällt damit ganz aus
dem Rahmen der üblichen Be-
stimmungen herans. Kein Wun-
der, wenn ängstliche Gemüter nun
gleich befürchten, „der Zeichen-
unterricht werde dadurch immer
mehr aus dem Nahmen des Schul-
organismus herausgehoben und
der zielsicheren geschlossenen Arbeit
der Schule entfremdet". Ich glaube
eher, daß die Verfügung in den
Lehrerkonferenzen mit gespannter
Aufmerksamkeit vernommen wor-
den ist. Man ist dort empfäng-
lich für einen frischen Luftzug. Kann
es doch auch nichts Natürlicheres
geben, als daß die fähigeren Schü-
ler, wenn es das Wetter erlaubt,
hinausgehen und diejenigen Dinge,
welche den Schmuck und die
Sehenswürdigkeiten ihres Ortes
bilden, in ihr Skizzenbuch auf-
nehmen — so lernen sie sie wirklich
kennen, hoffen wir: so verlieben
sie sich in sie. In vielen Fällen
brauchen sie nicht einmal das
Schulhaus zu verlassen, denn
manche Schule ist ja in einem
alten ehrwürdigen Bau unterge-
bracht; hier haben die Schüler die
denkbar schönsten und lehrreich-
sten Motive. — Natürlich geht
bei dem neuen Anterrichtsbetrieb
das Ideal der „Musterlektion" in
die Brüche. Was schadet es?
Wenn dieser „Rahmen des Schul-
organismus mit seiner geschlosse-
nen Arbeit" dem Zeichenunterrichte
zu eng wird, so darf er ihn spren-
gen und sich eine Freiheit schaf-
fen, um die er von vielen Lehrern

beneidet wird. Es ist in den letzten
Iahren an den höheren Schulen
viel von Reform gesprochen wor-
den; aber nirgend ist sie so ener-
gisch durchgeführt worden wie im
Zeichenunterricht. Das verdankt
dieser nicht zum wenigsten sehr
vernünftigen behördlichen Mah-
nahmen. Diese neue hier ist das
Glied einer Reihe von Bestim-
mungen, die das gleiche Ziel er-
streben: Wiedererweckung der Pie-
tät vor dem Schönen in Kunst und
Natur. Dem preußischen Gesetz
gegen Verunstaltung mußte eine
Maßnahme folgen, die sich der
Iugend versichert. Hätten die, die
sich jener Verunstaltung schuldig
gemacht haben, in ihrer Iugend
besser sehen und künstlerisch emp-
finden gelernt, wir brauchten ihre
Sünden nicht zu beklagen. Der
Zeichenunterricht kann eine Kul-
turmissiou erfüllen, und die Zei-
chenlehrer müssen sich dessen be-
wußt sein, daß sie mit verant-
wortlich gemacht werden für die
Gesinnung, welche die kommende
Generation von Männern und
Frauen gegenüber den Werken von
deutscher Art und Kunst betätigen
wird. H. Grothmann

Bei der Vorstadtrodel-
bahn

in klarer Wintertag. Draußen
im Land breiten sich reine, leuch-
tende Schnceflächen; hier in der
Stadt scheint die Sonne matt durch
einen rötlichenNebel auf schmierige,
halb aufgctaute Asphaltstraßen.
Eirdlose Häuserreiheu: düstere

Schluchten an solchcn Sonnentagcn.
Endlich ein Stück frischen, weißen
Winters: eine große Fläche, die für
einen eben begonnenen Bau in°
mitten der Stadt freigelegt ist. Die
Grundmauern und die Schutthügel
mit köstlichem Schnee bedeckt. Und
auf Lem höchsten dieser Hügel hun-

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