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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1911)
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Häfker, Hermann: Zur Hebung des Kinetographenwesens
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0368
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die für Kinderaugen berechneten, einer vorbeugenden Zensur bedürfen.
An einigen Orten ist man aber auch weiter gegangen und bereits zu einer
freiwilligen Organisation gelangt. So bestehen unter anderm in H a m--
burg und in Leipzig Lehrerausschüsse zur Hebung dcr Kinematographie
auf Grund freundwilligen Äbereinkommens und Iusammenarbeitens mit
den Kinobesitzern. InHallea. S. arbcitct ein Ausschuß des Dürerbundes
in solchem Sinne. In einer süddeutschen Stadt hat der Schultheiß mit
der Lehrerschaft die Sache offiziell in die Hand genommen. Im Aus-
lande (besonders in Schweden und Dänemark) sind die „Biograph-
Komitces" dcr Lehrerschaft eine wohleingeführte Einrichtung. Äberall
nun, wo solchc Organisationen bestehen, drängt sich bald der Wunsch her-
vor, von einer bloßen Bekämpsung des Änzulänglichen und Ausmerzung
des Verwerflichen zu schaffender Tätigkcit vorzngehen. Darin treffen
diese Organisationen wieder mit auswärtigen staatlichen Anstalten zusam-
men. In Ssterreich hat das Eisenbahnministerium dem Gegenstande seine
Aufmerksamkeit geschenkt. In Paris möchte der bekannte „8ervioe äes pro-
jecrions luminairss", das „Lichtbilderamt", das ganz Frankreich kostenlos
und von Staats wegen mit fertigem Material zu Lichtbildervorträgen ver-
sorgt (ähnlich wie es in Deutschland in bescheidenerem Maßstabe und auf
seine eignen Kosten der Dürerbund versuchte) kinematographische Films in
seinen Turnus aufnehmen. In London soll das alte „poloptical Institute"
wieder aufleben, nachdem die Kinematographie neue Möglichkeiten zur
Durchführung seines Programms „Volksbelehrung ditrchs Auge" geschaf-
fen hat. Die Liste ließe sich vermehren. Äberall, wo solche Ideen in ent-
sprechend gebildeten Kreisen wirken, stellt sich heraus, daß man sich
nicht — wie in den Kinotheatern — auf kinematographische Bilder allein
beschränken will, sondern es als organische, als ästhetische und sachliche
Notwendigkeit empfindet, mindestens Lichtbild und erläuternden Vortrag,
gegebencnfalls aber auch Musik und Illusionsmittel zu verwerten, auch
wohl alte Lichtkünste (wie Schattenspiele usw.) aufleben zu lassen. All diese
„poloptischen" Künste fassen wir nun unter dem Namen „Kinetographie"
(technische Festhaltung von Licht- und Klangwellen, physikalischen Be-
wegungen) zusammen.

Wenn wir uns dem Ziele zuwenden, „die in der Kinetographie ruhenden
wisscnschaftlichen und künstlerischen Möglichkeiten verwirklichen zu helfen",
so ist es zunächst nötig, daß die Films sich in den Dienst eines beherrschen-
den Programmgedankens stellen lassen. Obgleich zusammengesetzt aus
lauter technischen Notwendigkeiten und technischen Behclfen, muß die Dar-
bietung als Ganzes doch wieder eine einheitliche Schöpfung sein. Es
gcnügt nicht, daß die Bilder „so ungefähr" zum Thema passen, odcr sich
„zur Not" dabei verwenden lassen. Die Art der Filmherstellung und ihres
geschäftlichen Vertriebes machcn aber die Verwirklichung dieser (nicht nur
ästhetischen) Grundforderung zurzeit unmöglich.

Fast alle Films werden im Auslande, besondcrs in Paris, in London
und in Italien hergestellt, auch von Amerika gelangt jetzt manches über
London oder Paris zu uns, einiges auch aus Skandinavien. Deutschland
hat kein-e nennenswerten Filmfabriken, wenigstens keine, die Films be-
lehrenden Inhalts regelmäßig und in größerem Maßstabe er-
zeugen. Die fast einzige Firma „Eclipse" in Berlin ist haupt-
sächlich Vertreterin auswärtiger Firmen, unter deren Flagge sie auch

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