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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 11 (1. Märzheft 1911)
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Häfker, Hermann: Zur Hebung des Kinetographenwesens
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0370
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spiel für viele: der Verein „Bild und Wort" erhielt von drei verschiedenen
Firmen drei verschiedene Films „Palästina". Zufällig war der jetzige
Propst von Iernsalem in der Lage, sie feststellen zu helfen, und was zeigte
sich? Ilngefähr die Hälfte aller Bilder war gefälscht. Ein Nilarm sollte
der Iordan sein, unter dem Titel „Ierusalem" wurde eine prächtige
„Panorama"-Aufnahme von Kairo gezeigt. Diese Bilder waren vorher
unbeanstandet durch Tausende von Kinotheatern gegangen. Die Firmen
waren guten Glaubens gewesen. Die Feststellung des wirklichen und
wesentlichen Inhalts von Films ist nachträglich oft geradezu unmöglich.

Weiter: wöchentlich kommen ungefähr vierzig „Sujets" in Deutschland
auf den Markt. Darunter sind kaum mehr als zwei von zehn wenigstens
ihrem Gegenstande nach „belehrender" Natur; die übrigen acht sind
„gestcllte" Films, „Dramen" und dergleichen mehr, mit oft wundervollen
Titeln. So unerschütterlich oft die Aberzeugung ihrer Hersteller und ihrer
Vorführer ist, datz sie „hochkünstlerisch" sind, so können wir doch zurzeit
diese ganze Gruppe außer Betracht lassen. Es gibt oft hübsche Szenen
darin, namentlich solche, die auf dem Hintergrunde der wirklichen wunder-
baren Natur oder Architektur Altenglands, Frankreichs und Italiens ge-
spielt sind. Das bedeutet Keime, aus denen sich wohl etwas ent-
wickeln ließc. Aber dramatisch-künstlerischen Wert haben sie schon des-
halb so gut wie keinen, weil sie bestenfalls eine gewisse Manier uns
fremder Nationalbühnen mit Darstellern zweiten bis letzten Ranges ver-
anschaulichen. Gestellte Films, die Vildungswert haben könnten — denkcn
wir ctwa an die kinematographische Darstellung historischer Tänze, wie
der jetzt von Buchmahr wieder belebten — werden nicht gemacht. Denn nun
das letzte, was auch für den Wert der eigentlichen „belehrenden" Films
(die „Branche" benennt sie mit dem Sammelnamen „Aktuelle Bilder")
zu beachten ist:sieallesindeinzigundalleinfürdenMassen-
absatz in den Kinotheatern aller Welt berechnet.

Die Herstcllung eines wettbewerbfähigen Films ist, alles in allcm, einc
schr kostspielige Sache. Unter tausend Mark läßt sich kaum einer machen,
von manchen wird aber behauptet, sie verlangten einen Aufwand von
Hunderttausenden. Selbst wenn man bei solcher Zahl gelassen annimmt:
„die Hälfte", so liegt klar: Sollen diese Kosten nicht nur hereinkommen,
sondern auch lohnen, so genügt der Absatz selbst eines ganzen Landes wie
Deutschland nicht. Den Bewcis liefert die Tatsache, daß bisher noch keine
deutsche Firma sich in den internationalen Wettbewerb gewagt hat; das
etwaige „Wohlwollen" unsrer gebildeten, schöngeistigcn und amtlichen
Kreise zahlt keine solchen Summcn aus. Kein den Ansprüchen von
Volksfrcundcn entsprechcnder Film crblickt das Licht der Welt, dem nicht
ein Absatz über mehrere Länder verbürgt ist.

Schen wir aber von den teuersten, den „gestellten" Films ab, so
liegt die Sache immerhin günstiger.

Auch von den billigeren freilich wird uns unter den jetzigen Umständen
ein brauchbares Bild nur in seltcnen Ausnahmefällen znr Verfügung
stehn. Auf solche Ausnahmefälle läßt sich keine Organisation zur Hebung
der Kinctographie aufbauen. Kincmatographische Aufnahmen von mehr
als zufälligem Bildungswert müßten unter vorheriger Beratung mit
wissenschaftlichen und erzieherischcn Sachvcrständigen hergestcllt werden.
Das wäre eine Bedingung. Aber die andere sehr praktische wäre die: diese

(. Märzheft (M 303
 
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