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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 15 (1. Maiheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0214
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spielhaus zur deutschen Arauffüh-
rung einer dritten, aus Budapest
irnportierten Zarcwnabeschwöruug,
des dreiaktigen Schauspiels „D i e
Zarin" von Melchior Leng-
yel und Ludwig Biro. Dis-
kreter als seine beiden Vorgänger
beutet dieses Stück die galante
Russenkaiserin des achtzehnten
Iahrhunderts nur als allgemeinen
Thp aus, ohne Namennennung und
nähcre Zeitbezeichnung; doch über-
trifft es sic noch an äußercm Effekt
auf unser derzeitiges Publikum,
indem es die unersättliche Liebes-
gier der Autokratin noch ungenier-
ter schildert und auch im übrigen
mit allen Mitteln der Theater-
routine an den Nerven der Sen-
sationslüsternen reißt. „Die Iarin"
erhebt mit jäher Plötzlichkeit eincn
adeligen jungen Offizier als Liebes-
günstling an ihre Seite, ihn ge-
waltsam seinem Mädchen und seiner
politischen Aberzeugung abspenstig
machend; als er dann aber aus
ihrem eigenen Munde bestätigt hört,
daß sie ihn sogleich wicder mit einem
Bauernlümmel betrogen hat, stellt
er sich an die Spitze einer um-
stürzlerischen Verschwörung gegen
sie, so daß sie ihn kniefällig um
ihr Leben anflehen muß. Im letzten
Augenblick durch ihren wachsamen
Kanzlcr gerettet, schnellt sie im Nu
wiedcr zur Herrscherinnenallmacht
empor und will den Abtrünnigeu
vernichten, begnadigt ihn aber, weil
ein neues Licbesabenteuer mit dem
hübschcu französischen Gesandtcn sie
milde stimmt. Auch in diesem
Stücke buhlt die stark perverse Pi-
kantcrie eincr „großzügigen" ge-
kröntcn Dirncnnatur ohne Skrupel
des Geschmacks und der realen
Möglichkeit um die Shmpathie
unserer engeren und weiteren, hung-
rigen und übersättigten Großstadt-
boheme: insoferne ist es mit seincm
stürmischen Erfolgc ganz cbenso be-

zeichnend für die Zeitstimmung
unsrer deutschen Theaterkreise wie
vorher der denkwürdige Salome-
rummel.

Hanns von Gumppenberg

Äber die durchgefallene Stern-
heimsche „Kassette" brauchen wir
nichts zu sagen, weil das Stück
früher schon anderswo aufgeführt
war. Äber die behauptete Inten-
dantenkrise zu reden, liegt aber
für uns auch so lange kein Grund
vor, als es sich hier rein um Per-
sonalfragcn handelt. Sollte sich
wirklich ergeben, daß Wichtigeres
in Frage steht, so kommen wir auf
die Sache zurück.

LlnLer dem Protektorate
des Königs,

denn unter dem stehen die Krieger-
vereine, und auf dem Reklamezettel
ist das ausdrücklich betont, werden
in der Haupt- und Residenzstadt
Dresden — die Werning-
schen Festspiele aufgeführt! And
in dem „Ehrenausschuß", der seine
Namen unter die Neklame gesetzt hat,
die diese Festspielc im Ausrufer-
stil als „einzigschön und sehens-
wert" empfiehlt: „jeder wird von
dem Gesehenen hochbefriedigt sein",
befinden sich sieben Minister,
Präsidenten, der Oberbürgermei-
ster, der Oberhofprediger, kom-
mandierendc Generäle usw. Keine
nationale Sache kann mit höhe-
ren amtlichen Titeln empfohlen
werden.

Wie ist das möglich ge-
worden?

Daß man aus den Warnungen
keinen Nutzen zog, ist erklärt: heute
erst, am Karfreitag, wird bekannt,
daß die von den sächsischen Militär-
vcreinen vorbereiteten „Festspielanf-
führungen" die Werningschen
sind. Bisher ist dieser Name in den
Zeitungen nicht genannt worden,
j und so werdcn auch die Herrcn vom

h Maiheft M2 lA

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