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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 15 (1. Maiheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0218
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Abschluß. Daß unter ihnen die ^
Iohannispassion sich neben der
Matthäuspassion in unserm Musik-
leben eine ebenbürtige Stellnng
erobert hat, werden alle Bachver-
ehrer mit Freuden begrüßen.

Leopold Schmidt

Wagneriana

as Iahr, in dem Richard Wag-
ner „frei" wird, wirft bereits
seine Lichter voraus. Die bisheri-
gen Verleger entwickeln, nachdem
sie sich „znm löblichen Tun" ver-
nünftigerweise vereinigten, eine
große Rührigkeit, nm sich beizeiten
einen Vorsprung vor der Menge
der späteren Mitnutzer zn sichern.
Eine nene, monumentale Ansgabe
der Wagnerschen Tonwerke ist im
Anzug, die Klavieranszüge erschei-
nen bereits zu volkstümlichen Prei-
sen, von einer nenen, auf zwölf
Bände berechneten Volksausgabe
der Sämtlichen Schriften des Mei-
sters sind bei Breitkopf L Härtel
die ersten Lieferungen da, und der-
selbe Verlag kündigt anch eine Ge-
samtausgabe der Wagnerschen
Briefe an. Kurzum, das Lebens-
werk des Meisters wird seinem
Volke in möglichster Vollständig-
keit zu sehr crmäßigten Preisen
dargeboten, und man darf erwar-
ten, daß das rechte Wissen um
Wagner nun häufiger einkehren
wird. Sogar die Partituren der
„Feen" und des „Liebesverbots"
wird der Verlag Breitkopf L Här-
tel, der bei dem großartigen Anter-
nehmen die Führerrolle inne hat,
in erschwinglichen Ausgaben brin-
gen. Fehlt also nur noch eine
große kritische Ausgabe der Schrif-
ten, welche sich jcdoch vollkommen
durch einen guten „Revisions-
bericht" ersetzen läßt. Eben darin
wären auch die kleinen Verände-
rungen aufzunehmen, die Wagner
am musikalischen Wortlant des

„Rings" während der Bahrenther
Proben vornahm und dergleichen.
Wie ich höre, soll auch die große
Autobiographie sich in einer bil-
ligen Ausgabe erschließen, dieses
merkwürdigc Werk, das freilich bei
solchen Anstoß erregt, die es als
sogenannte objektive Geschichts-
quelle betrachten wollen. Ist die
beste Ehrung des Genius nicht das
lanteste Hurrarufen, sondern das
tiefste Eindringcn in sein Wesen,
so wird es wenigstens nicht mehr
an der Unzugänglichkeit der Quel-
len liegen, wenn es in Deutsch-
land noch über fM hinaus eine
Wagnerfrage gibt. B

Greco

er Ruhm mancher Künstler be-
schreibt die parabolische Bahn
eines Kometen, er leuchtet auf in
magischer Pracht, er verschwindet
in unerforschlichem Dunkel, und
plötzlich wieder strahlt sein Licht
in feurigem Glanze am Himmel.
Im s7. Iahrhundert war „der
Grieche" berühmt, im l9- sast ver-
gessen, und heute zählen ihn viele
zu den ganz großen Sternen. Die
Astheten beugen das Knie vor ihm
in Anbetung, seine Bilder sind
Spekulationsobjekte geworden wie
Kali-Aktien, und amerikanische
Milliardäre bezeugen eine schwär-
merische Begeisterung für seine
Kunst.

Untersuchen wir uicht, welchen
Anteil an all dem „die Mode", das
hcißt hier: das Bedürfnis nach
Reizwcchsel, und auch nicht, wel-
chen daran dcr Kunsthandel haben
mag, versuchen wir, ganz ruhig
uud sachlich zu bleibcn. Die einen
stellen den Meister von Toledo jetzt
unbedenklich über Velazquez, die
andern erklären ihn für einen ödcn
Manieristen. Beides ist nicht gerecht.

Daß der Greco gerade in diesem
Augenblick so viele Freunde findet,

l- Maiheft W2 l?5 §

Bildende Kunst
 
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