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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 19 (1. Juliheft 1912)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0021
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Befähigung zum Berarberten bedeutet, die Bildung lei-
stungsfähiger Organe. Ich meine aber, Entfprechendes auch inner-
halb der Leiblichkeit tut gut: Äbnng im Sichanpassen auch an andre
Lebensweife — zumal wenn diese die natürlichere ist. Der Fremde,
der hinsichtlich der Lebenshaltnng Landessitten mitmacht, übt damit
auch seinen Leib im Sich-Anpassen, und der Spätaufsteher, der das
Frühausstehen, der Stubenhocker, der das Marschieren, Steigen,
Klettern, der Schlecker, der das Bauernkostessen auf Reisen mit-
macht, kann damit die berühmte „Luftveränderung" wundersam
ersrischend ergänzen. Mieweit das im einzelnen Falle angeht,
hängt ja von allerlei ab, außer der Zeit vor allem auch von
der eignen Kraft. Ich persönlich habe stets gespürt, daß mir das
Reisen um so mehr zum Iungbrunnen ward, je vollständiger dabei
geistig und körperlich einWechsel meines Lebens gelang. A

Lose Blätter

Wanderung in Japan

sHarry Franck, ein gebildeter junger Amerikaner, hat eine Reise um
die Welt unter Bedingungen gemacht, die ungefähr diametral denen ent-
gegengesetzt waren, die Ezard Nidden einem Kulturarbeiter wünscht. „An-
geborne Wanderlust" kam dazu, um ihn als Handarbeiter, ja als Stromer
lebendige Kenntnis der modernen Kultur in den Arbeiterkreisen suchen
zu lassen. Mit jOH Dollar „Reservefonds" für photographische Bedarfs-
artikel zog er aus, mit stZ Dollar kam er heim: er hatte ohne Geld-
verbrauch, ohne Waffen, ohne Gepäck den Erdball umkreist. Nun liegt
seine Reisebeschreibung auch deutsch vor, und was sie gibt, ist ein höchst
lesenswertes Gegen- und Ergänzungsstück fast zu allen üblichen. Was in
diesen steht, fehlt bei Franck so gut wie ganz: die Natur- und Kunst-
schilderungen, die Beschreibungen des Lebens in den „guten" Kreisen, und
was e r gibt, fehlt jenen: die überzeugende Darstellung des Lebens im
Volk. Franck ist ein ausgezeichneter Beobachter und ein nie posender und
nie aufdringlicher Beschreiber von gutem Humor; was er uns gibt,
unterhält, ist aber weit über das „Amüsierinteresse" hinaus wertvoll.
Wer unserer Probe, der „Wanderung durch Iapan" (während des
russisch-japanischen Krieges) gefolgt ist, wird sicher das Gefühl haben,
daß er eine ihm neue Seite Iapans geschildert sah, aber das-
selbe gilt von Syrien, Ägypten und Indien, gilt von jedem Land
überhaupt, von dem der Verfasser spricht. Da die Äbersetzung (von Beda
Prilipp) ebenso ungewöhnlich frisch ist, wie der Inhalt, dürsen wir das
bei Rütten L Loening in Frankfurt a. M. erschienene Buch mit bestem
Gewissen empfehlen. Es kostet gebunden 5 MarkZ

N

bewegten grünen japanischen Berge erhoben sich langsam über die
Hmit Sonnenflecken übersäte See. Meine Kameraden begrüßten jede
Landmarke mit patriotischer Inbrunst, und bemühten sich, mich zu
überzeugen, daß wir den schönsten Ort aus der Erde erreicht hätten. Sie
hatten so unrecht nicht. Der grün umrahmte Hafen von Nagasaki war

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