Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1912)
DOI Artikel:
Stapel, Wilhelm: Frauenstimmrecht
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Dalcroze
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0205
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
durch Parteianschauungen beengte Tätigkeit die reinere Sphäre unsres
Daseins mit lebendiger Vermittlung der dauernden Menschheitswerte
erfüllten. Nicht „um den Männern zu gefallen". Das Männchen--
Weibchen-Motiv könnten wir alle beiseite lassen. Sondern, nochmals,
um unsrer Kultur willen. Wenn die Frauen das aufgriffen, was
im politischen Lärm an Kulturwerten gefährdet wird, wenn sie es in
der össentlichen Meinung und damit auch in Regierung und Parla-
ment zur Macht brächten, so würde das eine politische Betätigung
außerhalb der Parteien und des Wahlrechts sein, für welche die
Allgemeinheit größere Ursache hätte dankbar zu sein, als für die
Vermehrung, Verdoppelung des Kampfgewühls, die zudem möglicher-
weise nur die Heere auf beiden Seiten an Zahl verstärken, in der
Äberzahl der Fälle die Kräfte jedoch gar nicht oder sehr gegen den
Wunsch der Frauenrechtlerinnen verschieben würde. Wir wünschten
den Frauen somit eine Betätigung, wie sie unter den Männern
immer nur Auserwählten vergönnt sein kann, also in Wahrheit ein
Vorrecht. Wilhelm Stapel

Daleroze

wohl hat sich eine Angelegenheit, die im engsten Sinn
(^^„kunsterzieherisch« schien, so rasch die Teilnahme und tatkräftige
^^Hilfe der Gebildeten gewonnen, wie die „rhythmische Gymnastik"
Iaques Dalcrozes. Vor wenigen Iahren noch ein nicht unwill-
kommenes Anhängsel am Anterricht der Konservatorien und eine
liebenswürdige Beschäftigung für die Töchter der Reichen, wandelte
sie sich über Nacht in eine fundamentale Forderung für alle Musik-
pflege, in eine verheißungvolle Resormidee für die Musiktheater;
rasch genug erfuhren wir dann, daß hier Keime einer neuen, lebens-
frischeren Kunst ans Licht getreten und gar der Grund zu einer neuen
Lebensgestaltung gelegt sei. Und kein Iahrzehnt war vergangen, da
lud Dalcroze schon Schüler und Freunde, Berater und Kritiker zu
Tanz- und Musikfesten: im eignen stolzen Bau, in der Gartenstadt
Hellerau, sollten wir würdigen was erreicht, begrüßen was erhofft
ward und teilhaben an der Freude, die als belebende Kraft und bin-
dende Macht dem Schulinstitut seinen inneren Rhythmus verlieh.

Sehr dringend hatte Dalcroze selbst gewarnt, in dem an drei langen
Abenden Gebotenen schon Vollendetes zu sehen. Äbungen und Ver-
suche — so lautete die Losung. Nnd wer wäre nicht bereit gewesen,
einer Sache, die so von Verheißungen umblüht, von Lust getragen,
so enthusiastisch empsangen war, noch ein volles Maß Freiheit zum
Irren und zum Äberschwang zuzugestehen! Im Interesse des weithin
förmlich beunruhigten Publikums wie der Anstalt selbst liegt es wohl,
zu versuchen, ob und wie weit sich über Gegenwart und Zukunft der
rhythmischen Gymnastik etwas ausmachen oder wahrscheinlich machen
läßt.

Gehen wir dabei von dem zeitlich frühesten aus, von der eigent-
lichen Rhythmisierung der Schüler, von der „unangewandten" Methode
Dalcroze. Daß unser Musikdilettantismus und auch die musikalische
Facherziehung eines ausgeprägten rhythmischen Fühlens gemeinhin
entbehrt, oft sogar bewußt oder unbewußt sehr schmerzlich entbehrt,

Kunstwart XXV,
 
Annotationen