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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 21 (1. Augustheft 1912)
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Rundsschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0274
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ist: denn die Gesellschaft entzieht
ihr mit Fug die Freiheit, Kin-
der zu töten, aber mit Unrecht die
Freiheit in alle dem, wodurch sie
wahrhaft lebendig macht. Diese

Freiheit muß sich die Frau zu-
rückerobern! Einen Sieg, den sie
niemals erringen wird, sie werde
denn 'ZNutter in großem Sinne.

Gerhart Hauptmann

Unsre Bilder und Noten

^^-in Bild so großen Formates, wie Fritz Mackensens „Heuernte",
E läßt sich schon dieses Formates wegen nicht ohne Lxtraverluste ver-
wollten wir's aber sarbig wiedergeben und gar nach
üblicher Weise in Farbenautotypie, so gäbe das zwar eine für Unter-
nehmer geschäftlich ausnutzbare Freude dem Banausen, aber ein Greuel
dem Sehenden. Wir möchten immer wieder auf das schlechterdings Bar-
barische des heutigen Buntrappels hinweisen, der die nenen Techniken
nicht weniger mißbraucht als der „Kientopp" die Kinematographie. Die
meisten Zeitschriftenleiter werden immer wieder gegen ihre eigene bessere
Einsicht zum Bringen „farbenprächtiger" Bilder gezwungen, und wir
sind hente noch nicht einmal sicher, ob wenigstens unter den Kunstwart-
lesern bereits die Mehrzahl erkennt, wieviel reichere und wieviel
feinere Genüsse von einem großen Gemälde eine ruhige Gravüre ver-
mitteln kann als eine Farbenautotypie, die selbst bei höchster technischer
Sorgfalt die Farben mechanisch zusammendrücken und optisch ineinander-
rühren muß.

Wozu der Farbendruck vorzüglich zu brauchen ist (aber am besten auch
nicht die gewöhnliche Autotypientechnik, sondern die freilich teurere des
Steindrucks oder ähnlicher Verfahren), das möge die Reproduktion von
Otto Barths Farbenholzschnitt „Kirchgang" exemplifizieren. Sie ist
getren bis auf die Fingerabdrücke im roten Ton, nach denen dakthlo-
graphisch festgestellt werden könnte, ob sie der Maler eigenhändig gemacht
hat. Wo die Farben ein bißchen leichter oder schwerer aufgetragen sind,
wo mit mehr oder weniger Druck, das ist hier genau so wie auf dem
Original zu sehen. Amd weil dieses Original selbst nicht viel größer
ist als die Wiedergabe, so kann hier die Technik auch sonst geben, was
sich mechanisch wiedergeben läßt. Wie kommt es aber, daß nns das
kleine Werk als Original schon so echt künstlerisch anmutet? Davon, daß
hier der Gegenstand und die künstlerische Technik recht nach Meister-
art zusammengefühlt sind. Es wäre eine Stillosigkeit gewesen,
das, was den Künstler an diesen zwei beiden sreute, fein und zierlich zu
versänsteln und zu versüßeln. Die beiden Wesen hier verlangen nach festem
Handdruck, nicht nach Fingerspitzen. Also fast kein Mittelton, nur Schatten
und Licht. Derbster Kontrast, derbste Formen, alles Derbheit überhaupt,
aber auch alles Kraft. Ach hätten es die Künstler gut, wenn sie bei
so lebendigem Gestalten mehr Mitgänger hätten, mehr seelische „Da-
beiseier", mehr Mitmacher — kurz: ein Publikum, das beim fröhlichen
Einfangen der Welt auf Papierblätter mit der Phantasie mithilft!

Da wir gerade bei bäuerlichen Leuten sind, rufen wir zu den öster-
reichischen Kirchgängerinnen noch eine alte Dame aus Nordfriesland her,
die Hans Peter Feddersen beim Eintauchen ihres „Rundstücks"

s. Augustheft (9(2

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