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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 21 (1. Augustheft 1912)
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Schumann, Wolfgang: Dalcroze
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0211
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Staat macht jetzt ein neues Volkschulgesetz; er würde sich eine dauernde
Ehre tun und zugleich Dalcrozes Anternehmung wirksamst fördern,
wenn er sür zwei Iahrgänge der Volkschule verordnete oder mindestens
freistellte, den Gesangunterricht durch die Sinnenerziehung nach
Dalcroze zu ersetzen. Die damit verbundnen Kosten wären gering,
der Gewinn trotz des Ausfalls an Liedgesang unberechenbar; denn wo
läge es uns dringender ob, Lebensfreude und Sinnenverseinerung
zu schasfen als in diesen Kreisen! Kurse für Volkschullehrer, Turn-
lehrer, Musiklehrer an höheren Schulen, Kurse rn Seminaren und
Lehrerbildunganstalten aller Art und beiderlei Geschlechts — eine
überreiche Fülle von Aufgaben und Möglichkeiten tut sich da für
die neuesten —ianer von Hellerau aus, wenn erst dem zu hoch zielen--
den ^Kunst"traum ein Erwachen gefolgt sein wird und die Dalcro-
zianer dem Leben und seinen Aufgaben zurückgegeben sein werden.
Dann hätte die aus romanischem Geiste geborene Idee ihres Meisters
die beste Frucht getragen, die ihr nach Lage der Dinge im deutschen
Lande beschieden sein konnte. Wolfgang Schumann

Lose Blätter

Nosenows „Prinz Friedrich"

fWer den folgenden ersten Aufzug eines zeitgenössischen Dramas un-
vorbereitet läse, dürfte das Werk kaum ohne weiteres einem bekannten
lebenden Verfasser zuschreiben. Für Gerhart Hauptmann ist er zu
wenig seelenmalerisch, zu straff und durchsichtig, sür Schönherr zu nord-
deutsch, für Otto Ernst zu kraftvoll, für Eulenberg zu einfach mensch-
lich, zu sauber gearbeitet, für Sudermann zu schlicht und charaktervoll.
Aber es dürfte wenige Theaterleiter geben, die hier nicht nach den
weiteren Aufzügen griffen, denn dieser Eingang verspricht dichterisch
viel und verbürgt wohl auch Theatersinn wie wenige. .Mit erstaun-
licher Sicherheit ist hier eine doppelte Spannung aus ganz ungezwun-
genen Verhältnissen heraus geschaffen: wie wird sich die große Arbeit
des Professors mit all ihren Folgeerscheinungen weiter gestalten, und
wie wird das bedrohte Leben seiner Familie sich wenden? Klar stehen
die Eharaktere des starken Forschergeistes, des dienerischen Schreibers
Brodbek, des gütigen Verlegers und Geschäftmannes da, geschickt ist das
Eingreifen Manfreds vorbereitet. Vielleicht hätte die vollendete Dichtung
nicht an alle Seelen- und Geisttiefen gerührt, aber eine von echtem Leben
erfüllte Gestaltung wäre wohl entstanden, von der so mancher dichtende
Bühnenversucher unsrer Tage ein wenig hätte absehen können, nicht nur
„Technisches", „Kunstgriffe", sondern wie sich szenische Erfindung und
sorgsame Lharakterformung zu dramatischer Einheit binden lassen im
Rahmen gestalteter Alltäglichkeit. Hätte! denn unser Stück ist Fragment
geblieben, sein Verfasser, Emil Rosenow, ist seit acht Iahren nicht
mehr unter den Lebenden. Erst jetzt erinnern „Gesammelte Dramen" (er-
schienen im Verlag von Hermann Essig, Berlin) an den einstmals weit-
bekannten Namen. Das Stück, das ihn durch ganz Deutschland trug,
war ein Lustspiel — „Kater Lampe". Liest man dies heute, so ist der
Eindruck seiner knappen, frisch bewegten Szenen noch so fröhlich und

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