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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 22 (2. Augustheft 1912)
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Lose Blätter
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0331
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In Wiesennebeln, die das Tal durchziehen
Und die Remise ganz zur Insel machen,

Watet das Freundespaar bis zu den Knien,

Und wo die Erlen blau sie überdachen,

Trennen sie sich. Die kühle Abendluft
Trägt her vom Dorfe Pellkartoffelduft.

Der Tote

^v^-ir starb ein Freund und überschritt die Brücken,
^^Auf denen alle Spuren hinwärts gehen,

And keiner stehen bleibt sich umzusehen
Und uns noch einmal freundlich zuzunicken.

And er ging nicht allein, — wie alle Toten!

Mir starb sein Haus, die Stadt, darin er wohnte,

Ein Wort, das gern im Scherz er falsch betonte, —
Das sind nun alles stummgewordne Boten.

Ich mag an manchen Tisch mich nicht mehr setzen,
Weil seine Augen drüberher mir fehlen,

And oftmals stock ich, mitten im Erzählen,

Vor einem seiner Worte mit Entsetzen,

Und denke schaudernd: Wie soll das nur enden,
Wenn ich erst ganz vereinsamt bin auf Erden
Und alle Dinge seierlich mir werden,

Weil alle angerührt von Lotenhänden!

Rundschau

Kultur

Zu den Bestialitäten von Putumayo

urch die Zeitungen geht die
Nachricht, in England erscheine
auf Grund von Konsularberichten
ein Blaubuch, worin die Schicksale
der indianischen Bevölkerung geschil-
dert sind. Die Gummiwaldungen
sollten ausgebeutet werden, und
auf diesem Weg hat man die ein-
heimische Bevölkerung ausgerottet.
Aber wie? Durch bestialische Ver-
brechen. Nicht auf dem Weg einer
geschäftlichenKonkurrenz; nein, man
knallte die Leute nieder; nein, man
spießte Kinder auf und verbrannte
die Weiber; nein, man folterte sie
vorher mit unmenschlichen Qualen.

Fassungslos steht man vor solchen
Berichten. Sie müssen wahr sein.
Kein Volk hat ein Interesse daran,
sich selbst zu beschmutzen. Was ist
das für eine entsetzliche Wahrheit!
Sie wird zum schaurigen Gespenst
in ihrer baren Sinnlosigkeit. Mußte
oder sagen wir wollte man mit die-
sen Menschen fertig werden, so
konnte man das doch wahrhaftig
auf andere Weise. Es sind doch
Menschen. Oder nicht? Noch nie
ist mir die Entscheidung so leicht
gewesen, wie in diesem Fall: wo
standen die Menschen? Auf Seite
der roten Indianer oder auf Seite
der weißen Gummihändler? Da
gibt es auch keinen einzigen Augen-

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