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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 24 (2. Septemberheft 1912)
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Schumann, Wolfgang: Briefe bildender Künstler
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0467
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tellekts — muten wie die eines verfeinerten und gereinigten Rousseau
an. Aber er predigt nicht, denn er will nicht hinreißen, nur aussagen,
was ihn erfüllt und restlos beglückt. Seine theoretischen Betrachtungen
würden so wenig wie die des Genfers einen Logiker befriedigen, aber sie
können vielleicht in manchem, etwa wo er von Denkmälern, von Kunst-
lehre und Kunstrichtungen spricht, einer höheren Ausfassung aushelfen
als die des Alltags ist. Glücklicher als Feuerbach und die meisten Großen,
da er früh Erfolg, früh ein eignes Heim und eigne Kunstsicherheit fand,
lebt er wie ein Vorbild für alle, die ihr Genie unangekränkelt erhalten
wollen. Der wenig umfangreiche Band seiner Schriften und Briefe ver--
trüge noch Kürzungen, aber alles in allem zeugen doch die meisten seiner
Worte von seinem eigentlichen Wesen und wirken groß und rein.

Trotz aller Gegensätze des äußeren Geschickes der beiden Künstler,
spricht doch aus ihren Briefen eine starke Verwandtschaft, die sich in großen
und kleinen Zügen viel bezeugt. Diese aufzufinden, zu ordnen, zu sichten,
zu deuten, das ist Ausgabe des Psychologen; sie sühlen und innerlich
nacherleben können weit mehr Menschen, denn nirgends bietet sich das
Seelenleben, trotz aller Vorsicht die es bedarf ihm nahezukommen, so
frei wie in solchen Zeugnissen. Die Atmosphäre solcher Briefe ist die
wohltätigste, die sich denken läßt: leidenschaftlichste Liebe zur Kunst, die
sich allzeit ihrer ungeheuren Gewalt und ihrer Heiligkeit bewußt ist.

Wolsgang Schumann

Lose Blätter

Briefe von Feuerbach, Segantini und Schwind

^Wir bringen im Folgenden Proben aus den Briefen Feuerbachs, Se-
gantinis und Schwinds, die eben besprochen sind. — Die Briefe Feuerbachs
tragen die Iahreszahl (F. ist (829 geboren und (880 gestorben), da das
Lebensalter des Briefschreibers für die Würdigung des Inhalts wichtig ist.
Amsre Proben begleiten das Leben des Künstlers von der ersten Lntfernung
vom Elternhause bis in die letzten Lebensjahre; sie sind aber nicht als Bild
seiner innern Entwicklung gedacht, das auf so wenig Raum nicht gegeben
werden kann, sondern einzig als Zeugnisse von der tiefen Natur und dem
schönen geistigen Leben Feuerbachs. — Ansre andern Proben sind in ähn-
lichem Sinne gewählt; die Namen der Empfänger tun nichts zur Sache,
wie man leicht sieht. Wunderbar genug mag es berühren, daß einsam ste-
hende Männer wie Segantini und Schwind so scharfen Blickes in das all-
gemeine Getriebe des Kunstlebens hineinsahen. Die Bücher, denen unsre
Proben entnommen sind, haben folgende Titel und Verleger: Feuerbach,
Briefe an seine Mutter, 2 Bde. (Meyer L Iessen, Berlin), geb. je M. 9-^;
Segantini, Briefe und Schriften (Klinkhardt L Biermann, Leipzig), M. 6.50;
Schwind, Briefe, Künstlers Erdewallen (E. H. Beck, München), M. 3.50Z

R

der

Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Eltern

assael träumte von seinen erhabenen, göttlichen Bildern, Michel-
angelo, aber am andern Tage stand es auch auf der Leinwand, doch
das waren ja große, in der Kunst erfahrene Meister, die Besten
Maler; ich habe zwar nicht geträumt davon, sondern es lebt in

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