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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 21 (1. Augustheft 1912)
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Lose Blätter
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0231
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Elisabeth (will mit dem Zeitungsblatt auf ihn zu, stockt, verbirgt es
dann triumphierenden Blickes, geht zu ihrer Mutter). Es ist gut.

Iungschläger (steht hinter seinem Schreibtisch). Mein Plan ist
fest und wenn ich sie alle wider mich hätte, so stehe ich wie Hutten.
(Hochaufgerichtet.) Ich hab's gewagt!

Rundschau

Von den Worten

^n den letzten Iahren habe ich
Oviel in Versammlungen geredet.
Auch andere hörte ich sprechen. Da
begegnete es mir öfter, daß nach-
her einfache Leute kamen, sag-
ten allerhand Lobendes, meinten
aber: „Sie müßten uns das deutsch
sagen nnd so, daß wir es auch
genau verstehen." Ich hatte mir
immer geschmeichelt, daß ich wenig
Fremdworte benütze, meinte aber,
zur wissenschastlichen Sicherheit
seien bestimmte Fachausdrücke not-
wendig. Da lernte ich mit der Zeit
ein dreifaches. Das erste war, daß
die wissenschaftlichen Ausdrücke, die
man sich in seinem bestimmten Be-
ruf angewöhnt, zwar äußerst be-
quem sind, aber ich möchte sagen, zu
bequem. Sie verleiten nämlich leicht
dazu, über ihren eigenen Gehalt
nicht mehr nachzudenken. Man ver-
läßt sich gegenseitig darauf, in ihnen
eine bestimmte Erkenntnis zu be-
sitzen und kann bei deutlichem Nach-
sehen merken, daß das Wort nur
ein Name und Titel war, aber
dem Verständnis des Wesens der
Sache auch nicht um ein Haar
näher führte. Es klingt hart, wenn
ich sage, daß eine ganze Fülle
von sogenannten wissenschaftlichen
Worten nur den Schein einer Er-
kenntnis vortäuscht und ihr Wert
darauf beruht, daß die Ungelehrten
viel zu große Achtung vor solchen
Namen haben. Die ganze Welt der
lateinischen Worte hatte und hat
sicher ihr Berechtigtes. Sie diente
zur leichteren Verständigung unter

den verschiedenen Völkern, deren
Gelehrte hier in einer Einheit-
sprache ihre Funde und Gedanken
miteinander austauschen konnten.
Allmählich aber gestaltete sich der
Gebrauch dieser Worte zu einem
beliebten Mittel, um sich von dem
Strom der eigenen Volksbildung
abzusondern und sich von der
Sprache des gemeinen Mannes in
die Welt scheinbar höherer Wissen-
schaft aufzuschwingen. Ich rede von
den Geisteswissenschaften und treffe
nicht den Arzt, der seine Geheim-
sprache benützt, um den Leidenden
vor der vollen Erkenntnis unheil-
barer Krankheit zu schützen; auch
meine ich nicht den Techniker, Che-
miker und Mathematiker, der in
einer Welt kaum wägbarer Werte
sich zurechtfinden und ungeahnte
Kräfte ausmessen soll. Aber ich
denke an den Geschichtschreiber, den
Erforscher der Seele und ihrer Ge-
heimnisse, den Rechtskundigen und
den Entdecker neuer Weltanschau-
ung. Wie vieles blinkt hier in
falschem Glanz, als ob es etwas
wäre. Ich gebe dem Mann aus
dem Volke ganz recht, wenn er
sagt: „Aber, Herr Pfarrer, sagen
Sie uns das deutsch, daß wir es
auch genau verstehen." Es ist sehr
heilsam, die gelehrten Worte ein-
mal innerlich umzudenken und sie
zu fragen, was besagt ihr eigent-
lich? Ich fand viele Hülsen ohne
Frucht und wußte nicht, daß es
so viele Schalen ohne Kern gibt.
Oder wenn das zu hart geurteilt
sein sollte, so will ich so sagen: auf

(80 Kunstwart XXV, 2(
 
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