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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 19 (1. Juliheft 1912)
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Lose Blätter
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0040
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nicht auf einem in die Heiinat gehenden Schifs einen Platz als Matrose
gefunden hätte. Deshalb verschwendete ich die noch übrigen sieben Pen
während dreier Tage, wo ich herrlich und in Freuden lebte, und wanderte
am Morgen des letzten Iuli auf der Heerstraße hinaus nach dem benach--
barten Hafen.

Rundschau

Albert Welti 1-

elti ist tot. Die ihm nahe
standen, setzen mit diesen drei
Worten nur den Punkt hinter
einen Gedanken, mit dem sie sich
längst abfinden mußten. Was das
für sie persönlich bedeutet, geht die
Sffentlichkeit nichts an. Was aber
bedeutet Weltis Tod für sie, diese
„Öffentlichkeit" — oder bedeutet er
vielleicht sogar etwas für unser
Volk?

Lesen wir, was heut unsre Zei-
tungen schreiben, so scheint der
Verlust bedauerlich, aber nicht allzu
schwer. Ein vortrefflicher Maler
ganz gewiß — immerhin, man
würde von dieses oder jenes
andern Malers Tod wohl mehr
Wesens machen. „Lin recht talent-
voller Maler," denkt Kritikus über
diesen Welti, „aber an den Kämp-
fen der modernen Malerei be-
teiligte er sich leider nicht, und
so spielte er in der Entwicklungs-
geschichte der Kunst keine bedeu-
tende Rolle. Zwar, er hatte viele
Ideen, hatte Humor, Fabulier-
kunst, Frische, ja freilich. Aber
eigentlich sind das doch^ mehr lite-
rarische Qualitäten. Wenden wir
uns nach seinem Tode, noch we-
niger gestört, wieder dem Im-
pressionismus oder dem Hodlern
oder dem Synthesenmachen aus
Hodlertum und sonst einem -tum
zu und horchen wir weiter her-
um, ob wir etwaige Propheten
von morgen vielleicht schon heut
abend hören. So brauchen wir
beim Anfertigen oder beim Äus-

loben bis übermorgen garantiert
endgültiger Kunst keinen doch
immerhin peinlichen Außenseiter
wie diesen da."

Wir aber, die wir Albert Welti
in uns erlebt haben, sind an-
maßend genug, über die zu lächeln,
die immer wieder die Entwicklung
der Kunstmittel schon für die Ent-
wicklung der Kunst halten und
vermeinen: die seien die größten
Künstler, die neue Arten des Re-
dens pflegten, als wäre das Reden
um seiner selbst und nicht um
dessen willen da, was einer zu
sagen hat.

Welti hat uns, was er zu
sagen hatte, mit einer Sprache
gesagt, in der so viel Eigenes war,
wie im Gehalte seines seelischen
Ichs. Könnte man mit Worten
umschreiben, worin dieses bestand, so
wäre seine Kunst nicht echt, wäre
sie nicht Goethes „Sprache des
Unaussprechlichen" gewesen. Es
war vor allem sein Volkstum,
das aus ihm sprach. Wer dieses
Schweizertum kennt, in dem vom
alten Deutschtum Gesundheit, Kraft
und innere Schönheit noch heute
an sehr vielen Orten so erquickend
lebt, wie nur irgendwo im Reich,
der wird das Beste seines Besten
bei keinem einzigen bildenden
Künstler so in Brennpunkten der
Liebe mit Edelsteinglanz aufleuch-
ten sehn, wie bei Welti. Darin
war er mehr noch als Böcklini-
schen Gottfried Kellerschen Geblüts
und als Maler ein freier selb-
ständiger Nachsahr Holbeins sowohl

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