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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0150
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faden Papier und Holz der Re-
quisiten und Prospekte ein pein--
licher ästhetischer Rbgrund klafft,^
so ist ungefähr alles beisammen,
was gegen den Unfug der leben--
den Bilder gesagt werden kann. Amd
wir meinen, ein Teil davon ge-
nügte, um diese Gattung für jeden
Gebildeten unmöglich zu machen.

Müssen wir noch hinzufügen, daß
lebende Bilder mit Verwendung von
— Allegorien noch abgeschmackter
sind als das bisher Geschilderte?
Es ist wohl kaum notwendig. In
der dürren, schauerlichen öde dieser
A-fterkunst, mit der man das Volk
zu speisen wagt, bedeuten sie den
absoluten Nullpunkt.

Eduard Schütt

er die Wahrheit der Musik
nur in erhabener Größe und
Gewalt der Leidenschasten erblickt,
der wird geneigt sein über einen
Musiker wie Eduard Schütt
zur Tagesordnung überzugehn,
wenn er nicht von vornherein an
ihm vorbeigeht: „Ganz nette Salon-
musik" — und dann folgt nach
einem langgedehnten „ja, aber" —
währenddessen man sich auf einen
Einwand besinnt, die Absertigung.
Wer sich aber in diese vermeintliche
Salonmusik vertieft, wird bald er-
kennen, daß hinter den französischen
Titeln sich eine überaus feine unb
eigenartige, in der Faktur meister-
hafte und von romantischem Dufte
erfüllte Poesie verbirgt, die einem
daseinsfreudigen, sonnigen und doch
tief empfindenden Gemüt entsprun-
gen sein muß. Schütt gehört zu
jenen begnadeten, temperament-
vollen Naturen, die jeden, der ihnen
einmal nahe gekommen ist, für

* Werning zeigte beispielsweise
im Hintergrund von Donchery einen
gemalten schneebedeckten (!) Berg.

immer festhalten; eins jener Sonn-
tagskinder des Lebens, denen die
Fähigkeit ward, das Lied zu ver-
nehmen, das, wie der Dichter sagt,
in allen Dingen schläft, und deren
Werk die Harmonie und lichte
Klarheit offenbart, von der ihr
Wesen erfüllt ist. Kein Meister der
großen musikalischen Formen. Aber
ist nur deren Bezwingung das
Kennzeichen des Genius? Bezeugt
er sich nicht vielmehr in dem Ge-
fühl, das er tönen macht, in dem
Adel der Ausdrucksweise, in der
untrennbaren Einheit von Idee und
Form? Anter den Meistern der
modernen Klavierkunst, speziell
einer dem Genrehasten, Miniaturen
zugewandten Kunst steht dieser
Deutschrusse heute in erster Reihe.
Seine vom Geiste moderner
Romantik getragene Musik weist
einen außerordentlichen Farben-
und Formenreichtum, eine sinnliche
blühende Melodik von bestrickendem
Reize und entzückender Anmut auf,
und ist so recht ein Spiegel der
liebenswürdigen Art des Meisters
und seines köstlichen Humors.
Schütt gibt sich immer wie er ist,
er klügelt und grübelt nicht. Fröh-
lich, wie er ins Leben schaut —
er hat so gütige, freundliche Augen,
denen man ansieht, daß sie gern
lachen mögen — formt er sich die
Welt nach seinem Bilde als ein
Bejaher des Lebens; und darum
macht auch seine Musik froh. Viel
Sonnenschein liegt über ihr. Man
versteht darum auch leicht seine
Vorliebe für den Walzer. Gerade
auf diesem Gebiet hat Schütt Ent-
zückendes geschaffen, Klaviergedichte
von unendlichem Reiz, bald leicht
dahinfließend in liebenswürdigster
Heiterkeit und Grazie, bald träume-
risch versonyen und sehnsüchtig —
es ist die gleiche hohe Kunst, mit
der Lhopin seine Walzer gedichtet
hat. Zuweilen auch hier ein leichter

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