Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1912)
DOI Artikel:
Rundsschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0152
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
funden ist die „Idylle" ox>. 15, über
der es wie das Dämmerlicht einer
mondlosen Hochsommernacht liegt,
wo die Sehnsucht unruhig aufsteht
und von fern ein mildes Flöten--
lied ertönt, und eigenartig ergrei--
fend berührt die Melancholie op. ^5
Nr. 2. Ist es ein Nachklang aus
seiner nordischen Heimat, der hierin
erzittert? In den Stücken hu--
moresken Charakters offenbart uns
der Meister wiederum eine andere
Seite seines reichen Temperaments.
Was Liliencron vom Dichter
fordert:

„Ein echter Dichter, der erkoren,

Ist immer als Naturalist geboren,
Doch wird er ein roher Bursche
bleiben,

Kann ihm nicht die Fee in der
Wiege verschreiben
Zwei Gaben aus ihrem Wunder-»
land:

Humor und die feinste Künstler--
hand" —

Das hat Schütt in reichstem
Maße. Hier zeigt sich dieselbe glück-
liche Mischung von Heiterkeit und
Empfindung, die uns einen Dichter
wie Peter Cornelius so lieb macht,
zugleich dieselbe Anspruchlosigkeit.
Man darf Schütt zu den bedeutend-
sten musikalischen Humoristen zäh-
len: allerliebste, lustige Geschicht-
chen erzählt er in seinen kleinen
»L la liumore8ke«, Einfälle geist-
reich und drollig, daß sie geradezu
zum Lachen reizen (vergleiche op. 73
Nr. 3). Aber wie der echte Humor
auf einer ernsten und erhabenen
Stimmung beruht, so zeigt sich auch
in Schütts Humoresken fast immer
der hinter dem Scherz versteckte
Ernst, so besonders op. 20 Nr. s,
op. 3s Nr. 2, op. 89 Nr. H und
seine »^mourette" op. 78 schließt
er halb lachend halb wehmütig mit
einer Lpi1o§ue-Val8s „Voilä tout!"

Mit Cornelius hat er auch den
feinen Formensinn gemein: er wird

nichts in den Behälter tun, was
nicht in ihn hineingehörte. Nnd
die Form für seine Poesie schafst er
sich selbst, meist liedartige Gebilde
mit scharfgezogenen melodischen
Linien, Walzer mit besonders stim-
mungsvollen Mittelsätzen, Phanta-
siewalzer, die von der Walzersorm
fast nur noch den dreiteiligen Takt
bewahrt haben, Vorspielstücke nach
Art von Phantasien oder Prälu-
dien. Seine Harmonik ist überaus
geistvoll und interessant und zeigt
so recht den modernen Musiker, in
dessen Werk sich das Wesen des
Zeitalters der Reizsamkeit bekundet
in Rhythmen, die gegen das Metrum
gehen, in einer beständigem Schwan-
ken ausgesetzten Dynamik, in der
Häufung chromatischer Momente
und überraschender Klangkombi-
nationen, kurz einer Musik, in deren
Struktur die Erregung von Span-
nungsgefühlen organisch beschlossen
liegt und die Möglichkeit der
feinen und feinsten Abschattie-
rungen der Empfindungen ge-
geben ist, ohne daß sie es je-
mals auf das nur „Interessante"
abgesehen hätte.

In jüngeren Iahren hatte übri-
gens auch er einen starken An-
lauf zur absoluten Musik genom-
men und Kammermusikwerke ge-
schrieben, ein Klavierquartett,
Trios, eine Violinsonate, zwei Sui-
ten für Violine und Klavier, eine
Phantasie für Violincello und Kla-
vier und zwei Klavierkonzerte.
WLHrend namentlich die Violin-
suiten sich bald großer Beliebtheit
erfreuten, sind die Pianisten an
den gehaltvollen und fein gearbeite-
ten Klavierkonzerten seltsamerweise
vorbeigegangen, obwohl die nach-
beethovensche Musikliteratur in
dieser Gattung gerade keinen son-
derlichen Aberfluß aufweist. Die
sonstigenKammermusikwerkeSchütts
tragen wieder mehr programm-

2. Iuliheft (9(2 (2(
 
Annotationen