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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0156
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digt von dannen gehen. Wer aber
Sensationen meidet und der bun--
ten Schattenwelt der Lebensspiegel
lieber zu beschaulichem Nachfühlen
und bewegtem Ergötzen naht, wird
bei der Graphik den sichersten Ge--
winn ernten. Die Schranken des
Stils, der in der besonderen Tech--
nik begründet ist, sind hier nirgends
durchbrochen, wenn es auch an Er--
perimentierlust und keckem Suchen
nach neuen Tönen nicht fehlt. Aber
den Grundton gibt überall das
deutliche Streben, den Reichtum des
innerlich Geschauten auf eine ein-
sache und ungezwungene Weise zu
versichtbaren. Man läßt gleichsam
den Ton erst zu seiner vollen
Süßigkeit und Reinheit durchschwel--
len, ehe man ihn zum Träger der
Melodie würdigt. So stellt sich
auch die Harmonie, die der Berüh-
rung von schaffendem und genie-
ßendem Subjekt die Härte nimmt,
ganz von selbst ein, da das Inein-
anderaufgehen von Gedanke und
Form fast überall den Weg zum
Genuß ebnet. Mit besonderer
Wärme hat sich die Graphik heute
wieder der deutschen Landschaft an-
genommen. Man glaubt zu spü-
ren, wie die eingeborene Wander-
lust des Germanen nicht nur den
Wanderstab sondern auch den Grif-
f,el lenkt, und mit Entzücken folgt
man den Entdeckungssahrten, die
uns im Fluge durch Wiese, Busch
und Wald bis zu jenen blauen
Höhen führen, die in seligen Wei-
ten in den silbernen Himmel tau-
chen. Rudolf Sieck, der Meister
vom Lhiemsee, ist der echte Poet
der Sehnsucht: fast auf allen seinen
Vlättern, die eine eigne Skala far-
biger Töne zeigen, gleitet der Vor-
dergrund mit seinen tausend heim-
lichen Lenzeswundern schließlich zu-
rück, und die zarte lineare Schön-
heit der Ferne bleibt in Auge und
Herzen hängen. Auch von Otto

Abbelohde, Felix Hollenberg und
Paul Bürck läßt man sich gern die
Kraft und die Milde der deutschen
Heimat weisen; uns Dresdnern
wird das kraftvolle Bild des Lilien-
steins von Ferdinand Steiniger ge-
fallen. Eine besondre Nummer ist
Hans Meid, jetzt in Berlin: sein
Othellozyklus ist von einem seltsam
zuckenden Leben, in Erfindung wie
Vortrag, und dem Lheatralischen
sind nirgends auch nur die gering-
sten Zugeständnisse gemacht. Erich
Wolfsfeld, technisch im Besitze von
imponierendem Können, wird sich
als Gestalter noch vertiefen müssen,
während Emil Orlik mit einer An-
zahl von Porträts und reproduk-
tiven Blättern das Maß seiner In-
tentionen restlos ausfüllt. Anter
den Zeichnern schießt Otto Greiner
den Vogel ab. Zwar gehorcht auch
anderen, wie dem Wiener Böhler
in seinen Studien aus dem Reiche
der Mitte, Künstlern wie Paul
Bach, Ankauf und Otto H. Engel
der Stift unbedingt. Aber die
schlechthin vollendete Sicherheit, mit
der Greiner den Darstellungsmit-
teln Blei, Nötel und Kohle ge-
bietet, löst mehr als nur ästhetische
Befriedigung aus, erweckt ein Gefühl
von nationalem Stolz auf den Be-
sitz dieses Meisters in uns. Neben
den wundervollen Studien Max
Klingers zu den frühen radierten
Folgen wie den Rettungen ovidi-
scher Opfer erregt ein Entwurf zu
den Wandmalereien in der Schö-
neberger Villa darum besonderes
Interesse, weil wir hier in reifer
Schönheit genießen dürfen, was
heute, in dem ausgemalten Zimmer
dieser Ausstellung, so ganz — andre
Züge trägt. Von hinreißender
Größe und Innerlichkeit sind die
Blätter der genialen Käthe Kollwitz.
Der Kunstgewerbler Pankok über-
rascht durch die köstliche Frische und
Gesundheit seiner Landschaftstudien.

2. Iuliheft ^25
 
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