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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0165
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denn die andern daran, daß ein
paar Leute Schmuh machen? Sie
würden sich hüten, mitzutun,
wenn ihnen bewußt wäre, was sie
selber bei dieser Geschichte be-
zahlen. Aber das ist ihnen eben
nicht bewnßt, weil in ihren Kreisen
nie davon gesprochen wird. Wenn
beispielsweise das alte Kloster fiele
und ein paar neue „Prachtbauten"
entständen, so würden sie sich zu-
nächst wahrscheinlich drüber freuen.
Schon, weil's was andres ist, denn
Abwechslung macht Spaß. Nach
Iahren erst ertappen sie sich bei
dem Gedanken: komisch, die Stadt
ist überall „schöner" geworden, und
doch scheint sie langweiliger gewor-
den zu sein. An den neuen Häusern
haften keine Erinnerungen,
in den neuen Straßenbildern ist
keine Wärme. Wo sind die
alten Gesichter der Ashlisten hin,
denen man's ansah, wie behaglich
sie sich im alten Kloster fühlten?
Irgendwo „draußen", aber hier
gaben sie dem Straßenbild eine
besondre Farbe, gaben sie dem
Stadtbild einen besonderen Zug.
Wie der alte Baum, der dort über
die Mauer sah, wo jetzt das
hochfeine Warenhaus protzt. Es
ist nun gerade so, wie anderswo
auch. Das Besondre, das Eigene
ist weg. Die H e ima tw er t e sind
verloren.

Sie sind mit keiner Inventari-
sation, mit keiner Vergleichung,
mit keiner Rechnung festzustellen,
diese Heimatwerte. Wie tief sie
im Menschen leben, das bezeugt
nichts einsacher, als die simple Tat-
sache, daß am Sehnen nach ihnen,
am Heimweh einer sterben kann.
Wir suchen sie aus der modernen
Zivilisation herauszuexperimentie-
ren, und es glückt uns, die Men-
schen soundso viele Iahrzehnte
lang zu beschwindeln, als käme
alles auf „Erwerb", „Verkehr"

und die sonstigen „rationell zu
fassenden Güter" an. Wir glauben
das. „And dennoch spukt's in Le-
gel", und dennoch ist das Heimweh
hier und dort da, es muß doch also
auch etwas da sein, woraus es er-
wächst — und dennoch gibt es
nichts Wichtigeres für hundert
Fragen als den Zusammenhang des
Menschen mit der Scholle. Die
weisen Väter all der guten Städte,
die „modern" sein wollen, sind
modisch, aber nicht modern. Der
Moderne weiß, daß all solche Heim-
Werte im Leben gewaltig mitspre-
chen. A.nd der Moderne von mor-
gen wird den Fortschrittskämpfern
mit der allzeit bereiten Spitzhacke
und dem eisrigen Lineale von heute
sagen: ihr wart Troddel. A

Vom „internationalen Ar-
meegepäckrnarsch" — und
von anderem

Wie's gemacht wird

^»ch stelle mir einen vor, der ge-
Owohnt ist, einen Kümmel in
seinen Frühstückskaffee, einen
Schnaps in seinen Mittagswein zu
gießen und nach drei Maß abend-
lichem Hofbräu sich noch vier
Schlummerpünsche zu gönnen —
und ich behaupte: das moderne
Alkoholkapital brächte ihn doch
in Harnisch, wenn ihm nur
die Alkoholfreundschast noch ein
wenig Wunsch nach öffentlicher
Wahrhaftigkeit übrig gelassen hat.

Damit ich im solgenden beweis-
kräftig reden kann, nebenstehend ein
Faksimile. And die Frage: können
die Herren abstreiten, daß dieser
Zettel von ihnen verschickt ist?

Nachdem man ihn gelesen hat,
vergegenwärtige man sich die Tat-
sache: die Zeitungen, die diese Mit-
teilungen teils aus gutem Glauben,
teils von wegen der Alkoholinse-
rate oder aus sonstigen praktischen
Erwägungen bringen, teilen ihrer-

Kunstwart XXV, 20
 
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