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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0167
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seits den Lesern natürlich nicht
mit, daß ihnen das „Presse-Bureau
des Dentschen Brauer-Bundes,
E. V.", also Alkohol-Interessenten
die Sache geschickt haben, sondern
es glitzert im öffentlichen Sonnen-
schein als Quelle eine „Sächsische
Zentral-Korrespondenz", unter der
man sich ein unparteiisches, wissen-
schaftliches Organ vorstellen kann.
Während in Wahrheit der Inhaber
dieser Korrespondenz gleichzeitig Be-
richterstatter des offiziellen Organs
des „Deutschen Brauer-Bundes" ist.

Und nun zur Beleuchtung der so
verbreiteten Behauptungen selbst:

1. Wo ist bei diesem Zettel die
Hcruptsache mitgeteilt: daß bei
jenem Marsch der erste, zweite,
vierte und fünfte Sieger,
daß also von den ersten fünf Sie-
gern vier Abstinenten waren?
Und bei solchem Sachverhalt wird
mit fettem Druck behauptet: „Diese
Tatsachen stehen im krassen Gegen-
satz zu der Theorie, daß hohe kör-
perliche Leistungsfähigkeit durch
Abstinenz begünstigt wird." Nein,
das sind ja andere „Tatsachen"!
Richtig, wie steht es um die?

2. Emerich Rath kam unter sech-
zig Teilnehmern als j8. an, weil
er aufgerissene Blasen am Fuß
hatte. Die (von den Alkoholleuten
gesperrt gedruckte) „Erschöpft-
heit" und „Ausgepumpt-
heit" dieses Abstinenten wird
wohl am schlagendsten dadurch be-
wiesen, daß er bereits am Sonn-
tage darauf — die deutsche Boxer-
meisterschast für Schwergewicht ge-
wann!

3. Die Teilnehmer, die tatsächlich
ins Krankenhaus kamen, waren
entgegen der Behauptung keine
Abstinenten.

Was die „Tatsache" betrifft,
daß ihre Lebensgeister „im Kran-
kenhaus durch Alkohol geweckt wer-
den mußten", so gab das Kranken-

haus selbst aus Anfrage des „Vor-
trupps" amtlich die lakonische Aus-
kunft: „Den Kranken ist hier kein
Alkohol verabreicht" worden. Äbri-
gens konnten diese „schwer Kran-
ken" „alsbald wieder entlassen wer-
den".

5. Zu der Geschichte von den sie-
ben weiteren Teilnehmern, „eben-
falls Abstinenten und Vegetariern",
welche nach dem Preßzettel die
Erbarmer mit Kognak und Sekt
gestärkt in Krankenhäuser schafften,
ist zu bemerken: daß aus Anfrage
kein einziges der in Frage kom-
menden Krankenhäuser von ihnen
etwas wußte, und daß aus Anfrage
sämtliche beim Marsch beteiligten
„Samariter" erklärten, keiner
habe Alkohol verabreicht.

Ob es unter den Forschern und
denkenden Menschen heutzutag wirk--
lich noch einen gibt, der die gegen--
wärtige Alkoholwirtschaft in Deutsch-
land nicht für einen Änsegen hält,
das weiß ich nicht, ich kenne keinen.
Sollte es aber wirklich noch solche
Herren geben, so würde ihnen das
Alkoholkapital selber unmöglich
machen, für ihre Ansicht zu zeugen,
weil sie sich dadurch in den Ver-
dacht setzen würden, mit Verbrei-
tern so lauterer „Wahrheiten", wie
dieser hier, unter einer Fahne
zu fechten. A

Geistiger Befitz und gei-
stige Leistung

elegentlich eines Vortrages in
der Freien Studentenschast sagte
der Hallesche Professor v. Blume
unter anderm das Folgende: „Es
soll nicht geleugnet werden, daß
viele Erscheinungen unsres öffent»
lichen Lebens Männer von feinerer
Empfindung zurückschrecken können;
es muß aber auch immer wieder
gesagt werden, daß gerade der Äm--
stand, daß die seiner Empfindenden
sich zurückziehen aus dem öffent-

(36 Kunstwart XXV, 20
 
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