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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 34.1991

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Nr. 1
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Buchbesprechungen
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Nickel, Rainer: [Rezension von: Lucius Annaeus Seneca, Apocolocyntosis Divi Claudii. Einführung, Text und Kommentar von Otto Schönberger]
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Nickel, Rainer: [Rezension von: Carl Wilhelm Weber, Diogenes. Die Botschaft aus der Tonne]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35875#0024

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rischen Gattung der Menippeischen Satire; es wurde wahrscheinlich Ende 54 nach Chr., unmit-
telbar nach Claudius' Tod, veröffentlicht. Die Argumente für eine spätere Abfassungszeit sind
taut O.S. nur wenig überzeugend. Auch von einer anonymen Publikation kann nach O.S. keine
Rede sein: ,,Seneca richtete von der ersten Stunde an seine Satire an die römische Öffentlichkeit.
Er wollte wirken und leiten, und die Satire war ihm ein Mittel dazu" (S. 24).
Zur Absicht des Autors: „Zuerst wollte Seneca die Leser amüsieren und unterhalten, wollte ein li-
terarisches Kabinettstück bieten. Hinzu kam die Rache an Claudius und der Versuch, politisch-
pädagogisch zu wirken." Der Schwerpunkt der Satire liegt aber nicht etwa auf der Verspottung
des Claudius und der literarischen Revision der Apotheose. Seneca will vor allem dem Recht Ne-
ros auf den Kaiserthron zum Sieg verhelfen, indem er die Thronansprüche der claudischen Nach-
kommenschaft zurückweist. Aus dieser Zielsetzung erklärt sich das Preislied auf Nero, den irdi-
schen Sonnengott. Die Satire steht also ganz im Dienst der nerofreundlichen Propaganda, die
nicht nur die Herrscherpersönlichkeit legitimieren, sondern auch die Verbreitung der auf Augu-
stus zurückweisenden Leitideen der Regierung Nero fördern soll. Darüber hinaus ist die Apoco-
locyntosis ebenso wie die Schrift De clementia ein „Protreptikos, der Nero zur Nachfolge des
Augustus aufruft" (S. 27). Die Unsicherheit in der Bedeutung des Titels versucht O.S. mit folgen-
den Überlegungen zu beheben: „Der Titel ist ein Wortspiel und dient vorerst dazu, den Leser
durch seine witzige Fremdheit anzulocken und ihm zu sagen, hier finde ein Gegenspiel zur offi-
ziellen Vergötterung statt. Dann tritt die Bedeutung des Wortes 'Kürbis' als 'Hohlkopf' in ihr
Recht, und der Titel besagt weiterhin, Claudius, der leider Gott wurde, sei nun wieder das, was er
von Natur aus war, ein Dummkopf, sei auch nach dem Tod der gleiche Narr wie im Leben. Hatte
die Apotheose den Kaiser zum Gott erhöht, erniedrigte ihn die Apocolocyntosis für ewig zum
Kürbis, zum einfältigen, aufgeblähten Erdenkloß" (29 f.). Nach knappen Ausführungen über die
Bedeutung der „Apotheose", den Aufbau der Satire, Sprache und Stil geht O.S. auf das „Nachle-
ben" und die Überlieferungsgeschichte des Werkes ein. Den Schluß der Einführung bildet eine
ausführliche Literaturübersicht. Der gut lesbare und zugleich ausführliche Kommentar (S. 57-90)
erläutert und erklärt vor allem die sprachliche Gestaltung des Textes. Er bietet wertvolle Hilfen
zur Texterschließung und zum Textverständnis. „Gelehrte" Anmerkungen (z.B. Hinweise auf Pa-
rallelstellen) werden nur dann vorgenommen, wenn sie wirklich der besseren Orientierung die-
nen. Es ist sehr zu begrüßen, daß die meisten Textstellen, auf die verwiesen wird, auch vollstän-
dig ausgeschrieben sind, so daß der Leser den gewünschten Vergleich ohne Schwierigkeiten voll-
ziehen kann. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Schulausgabe der Apocolocyntosis von
Gerhard Binder (Modelle für den altsprachlichen Unterricht, Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt
1987) hingewiesen. Es handelt sich um eine comic-nahe illustrierte Schulausgabe des vollständi-
gen Textes mit ausführlichem, schülerfreundlichem Erläuterungsteil. Die gelungenen Illustratio-
nen von H.-H. Römer, die als eigenständige und eigenwillige Interpretation des Textes anzuse-
hen sind, dürften motivierend wirken und das Verstehen der mitunter schwer nachvollziehbaren
satirischen Intention des Autors fördern, so daß der Text auch für heutige Oberstufenschüler les-
bar wird. R.N
Car/ W//he/m Weber; Diogenes. Die Botschaft aus c/er Tonne, München (Nymphenburger Ver/ags-
hand/ung) ?987. 2 72 5.
Wer war Diogenes? Philosophie-Proletarier, „verrückt gewordener Sokrates", Philosophie-
Clown, Spaßmacher, Aktions-Künstler, kreativ-komischer Typ irgendwo zwischen Till Eulenspie-
gel und den Marx Brothers, show-man mit philosophischem Anspruch, Bürgerschreck, unbeque-
mer Sonderling, leibhaftige Verkörperung seiner „Ideologie des glücklichen Bettlers", Ausstei-
ger, Provokateur . . .? Wer immer er war, er war erfolgreich und hatte Biß, und das bis heute.
Zahlreiche Anekdoten berichten über den „Hund", griechisch kyon, den schamlosen Archege-
ten der kynischen Philosophenschule, der seine Mitbürger schockierte, indem er „regelmäßig

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