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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 34.1991

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Aktuelle Themen
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Selle, Kurt: Der DAV vor neuen Aufgaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.35875#0033

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Der DAV vor neuen Aufgaben
,,Nunc demum redit animus": Dieser Satz am Anfang des 3. Kapitels von Tacitus' Agricola könn-
te auch zur Charakterisierung der geistigen Situation der Lehrer/innen für alte Sprachen in den
neuen Bundesländern dienen. Aber auch für die Probleme, vor denen sie heute stehen, kann die
Beschreibung der Zeit nach Domitian herhalten: . ingenia studiaque oppresseris facilius
quam revocaveris."
Beide Zitate aus derselben Textsteile spiegeln die Atmosphäre und die Analyse der Lage in den
neuen Bundesländern wider, die einen wesentlichen Raum bei der satzungsgemäß vom 22. bis
24. Februar 1991 in Halle an der Saale durchgeführten Vertreterversammlung unseres Verbandes
einnahmen.
Der Tagungsort war bewußt von der letzten Vertreterversammung in Hamburg festgelegt wor-
den, um auch von unserer Seite zu verdeutlichen, daß sich die Mitte der Bundesrepublik
Deutschland nach Osten hin verschoben hat. Der Deutsche Altphilologenverband ist nunmehr
mit eigenen Landesverbänden überall in Deutschland vertreten. Nach der Gründung der Landes-
verbände Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie nach der
Ausdehnung des Landesverbandes Berlin auf den Ostteil der Bundeshauptstadt und auf Branden-
burg saßen zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach der Wiedergrün-
dung des DAV Delegierte unseres Verbandes aus Schwerin, Gotha, Jena, Halle und Dresden ne-
ben denen aus Mainz, München, Tübingen, Dortmund und Kiel. Mit vollem Recht kann diese
Zusammenkunft als ein Markstein in der Geschichte des Verbandes bezeichnet werden.
Die Saat, die beim Kongreß in Hamburg mit der Einladung an Kolleginnen und Kollegen aus der
damaligen DDR und mit einem ersten Gedankenaustausch gelegt worden war, ist aufgegangen.
Zahlreiche Begegnungen von Altsprachlern hüben und drüben — sit venia verbo — in der Zwi-
schenzeit bei freundschaftlichen Treffen, bei Fortbildungsveranstaltungen sowie bei den Grün-
dungsversammlungen haben die Verbindung und den Wunsch nach gemeinsamem Handeln
verstärkt. Ich möchte in diesem Zusammenhang dem stellvertretenden DAV-Vorsitzenden,
Herrn Dr. Peter Lohe, allen anderen Vorstandsmitgliedern sowie zahlreichen Mitgliedern einzel-
ner Landesverbände den herzlichen Dank des Verbandes für ihren selbstlosen Einsatz im Interes-
se der Humaniora übermitteln, den sie bei diesen Initiativen geleistet haben.
Wer von denen, die die staatliche Zusammengehörigkeit der Deutschen vor dem letzten Welt-
krieg noch bewußt miterlebt haben, hätte sich der inneren Bewegung und dem Gefühl dankbarer
Freude entziehen können, die sich beim Aufenthalt in Halle einstellten? Durch die Räume der
traditionsreichen Martin-Luther Universität (früher Friedrichs-Universität) gehen zu können, an
der neben dem Philosophen und Mathematiker Christian Wolff, neben dem Juristen Christian
Thomasius, neben dem Orientalisten Heinrich Wilhelm Gesenius auch der Begründer der klassi-
schen Altertumswissenschaft Friedrich August Wolffeinst lehrte, in der ehrwürdigen Universitäts-
aula einem Vortrag über die Kunstschätze der alma mater Halensis zuhören zu dürfen, im Semi-
narraum des Instituts für Altertumskunde im Robertinum tagen zu können, im Lindenhof das Ge-
bäudeensemble der aus dem Geist des Pietismus entstandenen Franckeschen Stiftungen betrach-
ten zu können, im Geburtshaus Händels einem Konzert anläßlich seines Geburtstages am 23. Fe-

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