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Einleitung
in seiner Fähigkeit durch seine Formen und Zeichen verschiedenen abstrakten
und komplexen Verhältnissen Anschaulichkeit und Sinn verleihen.
Der Begriff »Zeremonie« ist für die Untersuchung und Beschreibung von
Flerrschertreffen des späten Mittelalters ebenso bedeutend wie der des »Ri-
tuals« und kann in hohem Grade deckungsgleich verwendet werden.^ Beide
Begriffe beschreiben eine formalisierte Handlungssequenz, die dem hohen
sinngebenden Anspruch der Beteiligten gerecht wirdÄ Bei der präziseren Be-
stimmung der nichtkongruenten Elemente von Ritual und Zeremonie^ liegt
der Schwerpunkt vor allem auf einer eher bewirkenden Qualität des Rituals
und einer eher darstellenden Qualität der Zeremonie.^ Im Hinblick auf die Be-
gegnung von Königen ist die schärfer formulierte Trennung zu relativieren, ein
Ritual würde im Gegensatz zur Zeremonie einen Wandel bzw. Statuswechsel
erwirken.^' Herrschertreffen konnten durchgeführt werden, um ein bestehen-
des Verhältnis zu bestätigen und zu bekräftigen, dabei auch punktuelle Neue-
rungen zu verhandeln und festzulegen oder auch um ein ungeklärtes Verhält-
nis zweier Königreiche durch persönliche Begegnung in einer gewünschten
Form darzustellen, die zuvor noch nicht existiert hatte.
Der Begriff »Zeremoniell« erfasst Zeremonien und Rituale, symbolische
Handlungen, Gesten, Gebärden und Reden in gleicher Weise. Im höfischen Be-
reich umschreibt er eine Sammlung oder Summierung zeremonieller Verhal-
tensweisen, also die hoch formalisierte und festgesetzte Abfolge von öffentlich
vollzogenen Handlungen, die in erster Linie Repräsentation zum Ziel haben;
er überbrückt damit den eher singulären Charakter der Begriffe »Ritual« und
»Zeremonie« und auch den normativen Aspekt des Protokolls. Diese Bezeich-
nung enthält eine liturgische Dimension im Sinne der Ordines, wie für Krö-
nungen, Begräbnisse etc., aber auch die formoffeneren, nicht schriftlich vorfor-
mulierten Verhaltensweisen auf der Ebene höfisch-ritterlichen Lebens, wie bei
Banketten, Turnieren etc. ' Damit ist der Begriff auch eng mit höfischer Etikette
verwandt, die courtoise Umgangsformen und Verhaltensnormen bezeichnet,
aber keine vergleichbare schriftliche und somit gesteuerte Durchformung er-
halten hat. Aufgrund der durch Sprache, Mimik, Gestik und adäquates Ver-
halten ausgedrückten Ästhetik enthält Etikette auch die Komponente einer
Kunstform.Verbreitung und Anwendung der Etikette erwuchs dabei haupt-
86 MooRE/MYERHOFF (Hg.), Secular Ritual, S. 3-8.
87 ScHENK, Zeremoniell und Politik, S. 67; MICHAELS, Zur Dynamik von Ritualkomplexen; DERS.,
»Le rituel pour le rituel« oder wie sinnlos sind Rituale?, S. 23-47.
88 Vgl. dazu ALTHOFF, Art, »Zeremoniell«, in: HRG 5, Sp. 1677-1680; STOLLBERG-RniNGER, Sym-
bolische Kommunikation in der Vormoderne, S. 504 leimt dabei Einschränkungen von HAHN,
Kultische und säkulare Riten und Zeremonien in soziologischer Sicht, S. 51-81 ab, der aufbau-
end auf die Tradition Emile Dürkheims die Trennung zwischen Ritual und Zeremoniell am
magisch-sakralen Charakter des Rituals festmacht.
89 ScriENK, Zeremoniell und Politik, S. 67f.
90 STOLLBERG-RniNGER, Symbolische Kommunikation in der Vormodeme, S. 504; ebenso: PARAvi-
ciNi, Zeremoniell und Raum, S. 14.
91 CoNTAMiNE, Art. »Zeremoniell«, in: LexMa 9, Sp. 561f.; BuMKE, Höfische Kultur, Literatur und
Geschichte im hohen Mittelalter, Bd. 1, S. 276-379.
92 BEETZ, Frühmoderne Höflichkeit.
Einleitung
in seiner Fähigkeit durch seine Formen und Zeichen verschiedenen abstrakten
und komplexen Verhältnissen Anschaulichkeit und Sinn verleihen.
Der Begriff »Zeremonie« ist für die Untersuchung und Beschreibung von
Flerrschertreffen des späten Mittelalters ebenso bedeutend wie der des »Ri-
tuals« und kann in hohem Grade deckungsgleich verwendet werden.^ Beide
Begriffe beschreiben eine formalisierte Handlungssequenz, die dem hohen
sinngebenden Anspruch der Beteiligten gerecht wirdÄ Bei der präziseren Be-
stimmung der nichtkongruenten Elemente von Ritual und Zeremonie^ liegt
der Schwerpunkt vor allem auf einer eher bewirkenden Qualität des Rituals
und einer eher darstellenden Qualität der Zeremonie.^ Im Hinblick auf die Be-
gegnung von Königen ist die schärfer formulierte Trennung zu relativieren, ein
Ritual würde im Gegensatz zur Zeremonie einen Wandel bzw. Statuswechsel
erwirken.^' Herrschertreffen konnten durchgeführt werden, um ein bestehen-
des Verhältnis zu bestätigen und zu bekräftigen, dabei auch punktuelle Neue-
rungen zu verhandeln und festzulegen oder auch um ein ungeklärtes Verhält-
nis zweier Königreiche durch persönliche Begegnung in einer gewünschten
Form darzustellen, die zuvor noch nicht existiert hatte.
Der Begriff »Zeremoniell« erfasst Zeremonien und Rituale, symbolische
Handlungen, Gesten, Gebärden und Reden in gleicher Weise. Im höfischen Be-
reich umschreibt er eine Sammlung oder Summierung zeremonieller Verhal-
tensweisen, also die hoch formalisierte und festgesetzte Abfolge von öffentlich
vollzogenen Handlungen, die in erster Linie Repräsentation zum Ziel haben;
er überbrückt damit den eher singulären Charakter der Begriffe »Ritual« und
»Zeremonie« und auch den normativen Aspekt des Protokolls. Diese Bezeich-
nung enthält eine liturgische Dimension im Sinne der Ordines, wie für Krö-
nungen, Begräbnisse etc., aber auch die formoffeneren, nicht schriftlich vorfor-
mulierten Verhaltensweisen auf der Ebene höfisch-ritterlichen Lebens, wie bei
Banketten, Turnieren etc. ' Damit ist der Begriff auch eng mit höfischer Etikette
verwandt, die courtoise Umgangsformen und Verhaltensnormen bezeichnet,
aber keine vergleichbare schriftliche und somit gesteuerte Durchformung er-
halten hat. Aufgrund der durch Sprache, Mimik, Gestik und adäquates Ver-
halten ausgedrückten Ästhetik enthält Etikette auch die Komponente einer
Kunstform.Verbreitung und Anwendung der Etikette erwuchs dabei haupt-
86 MooRE/MYERHOFF (Hg.), Secular Ritual, S. 3-8.
87 ScHENK, Zeremoniell und Politik, S. 67; MICHAELS, Zur Dynamik von Ritualkomplexen; DERS.,
»Le rituel pour le rituel« oder wie sinnlos sind Rituale?, S. 23-47.
88 Vgl. dazu ALTHOFF, Art, »Zeremoniell«, in: HRG 5, Sp. 1677-1680; STOLLBERG-RniNGER, Sym-
bolische Kommunikation in der Vormoderne, S. 504 leimt dabei Einschränkungen von HAHN,
Kultische und säkulare Riten und Zeremonien in soziologischer Sicht, S. 51-81 ab, der aufbau-
end auf die Tradition Emile Dürkheims die Trennung zwischen Ritual und Zeremoniell am
magisch-sakralen Charakter des Rituals festmacht.
89 ScriENK, Zeremoniell und Politik, S. 67f.
90 STOLLBERG-RniNGER, Symbolische Kommunikation in der Vormodeme, S. 504; ebenso: PARAvi-
ciNi, Zeremoniell und Raum, S. 14.
91 CoNTAMiNE, Art. »Zeremoniell«, in: LexMa 9, Sp. 561f.; BuMKE, Höfische Kultur, Literatur und
Geschichte im hohen Mittelalter, Bd. 1, S. 276-379.
92 BEETZ, Frühmoderne Höflichkeit.