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Einleitung
auch bei der Herrschaftsübernahme in bestehenden Monarchien war eine An-
erkennung durch die auswärtigen Mächte notwendig.
Dies verweist darauf, dass ein zentraler Aspekt des Königtums nicht nur in
der Machtgrundlage und der Herrschaftsstruktur des jeweiligen Gemeinwe-
sens zu suchen ist, sondern auch in der Anerkennung durch die höchsten Auto-
ritäten wie Kaiser und Papst sowie die weiteren Monarchen Europas. Insofern
war es von erheblicher Bedeutung, inwieweit die Königstitel im gemeinsamen
Umgang verwendet wurden. Eine persönliche Begegnung mit anderen Köni-
gen war freilich der eingängigste Ausweis für die unangefochtene Akzeptanz
der Herrschaftsansprüche, für die die adäquate Titulierung im Gesandtschafts-
und Briefverkehr als wichtige Vorstufe zu erachten ist. Derartige Anerkennung
von außen konnte die Herrschaft im Inneren festigen, musste allerdings nichts
über den Rückhalt eines Herrschers in seinem Reich aussagen. Ein Dualismus
zwischen königlich-herrschaftlichen und ständisch-genossenschaftlichen Kräf-
ten durchzog alle spätmittelalterlichen Monarchien/" und der Machtgehalt
des Königtums ließ sich nicht wesentlich durch die Anerkennung von Außen
steuern. Titularkönige und exilierte Monarchen stellen für die Diskrepanz von
königlichem Anspruch und ausgeübter Herrschaft Extremfälle dar. So formu-
lierte Reinhard Elze zu Recht, dass es sich bei der Beurteilung von spätmittel-
alterlichen Monarchen lohne, zu unterscheiden zwischen »einejm] »richtigen«
König und dem, der König heißt, aber nicht ist, und von dem, der so mächtig
ist wie ein König und doch weder König ist noch heißt.«"^ Doch auch Herrscher,
die heute als »kleine« oder schwache Könige beurteilt werden, betrachteten
sich durchaus als Könige, die durch Titel, Krönung, ggf. Salbung, Akklamation
oder auch ihre Stellung innerhalb eines christlichen Sakralgefüges von anderen
Fürsten und Herzogen unterschieden waren. Dabei war gerade das auf den Kö-
nig ausgerichtete Zeremoniell eines der bedeutenden Mittel, den königlichen
Machtanspruch und die Befähigung zur Herrschaftsausübung vor Augen zu
führen. Man kann darin die eindringlichen Visualisierungen einer Herrschafts-
ordnung sehen, mit der Regenten sich abzuheben suchten und den Adel nicht
nur metaphorisch »um mehr als Kopfeslänge überragten«."' Hierzu gehören
die auf Öffentlichkeit ausgelegten und angewiesenen Momente der Prachtent-
faltung wie die Hoffeste, aber auch Versammlungen und Feierlichkeiten, zu
denen es aus liturgischen, familiären oder politischen Angelegenheiten kam.
Taufe, Weihe und Grablegung waren dabei die im Kern auf die Person bzw.
Dynastie des Herrschers zentrierten Anlässe, Hoftage, Parlamente und Stände-
versammlungen dagegen auf den gesamten Herrschaftsverband bezogen.
Krone angefertigt wurde; Anonimo Romano, Cronica, ed. Porta, S. 34; zum Bericht von Matteo
Villani, Rudolf IV. von Österreich sei »Re de Lombardi«, einen Titel, den er nie tatsächlich
führte: BERGRicH, Die fürstliche »Majestät« Herzog Rudolfs IV., S. 49f.; allgemein vgl. BEGERT,
Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, S. 96, Anm. 36.
115 ScHNEmER, Königtum in der Krise?, S. 284: »Königtum [ist] herrschaftliches Moment [...] die
Stände als dominant genossenschaftliches Element genuine Träger spätmittelalterlicher Sta-
atlichkeit sind. Diese ist dualistisch geprägt.«
116 ELZE, Könige im spätmittelalterlichen Italien, S. 123.
117 VALE, Wie der französische König aus der Feudalgesellschaft ausscherte, S. 223.
Einleitung
auch bei der Herrschaftsübernahme in bestehenden Monarchien war eine An-
erkennung durch die auswärtigen Mächte notwendig.
Dies verweist darauf, dass ein zentraler Aspekt des Königtums nicht nur in
der Machtgrundlage und der Herrschaftsstruktur des jeweiligen Gemeinwe-
sens zu suchen ist, sondern auch in der Anerkennung durch die höchsten Auto-
ritäten wie Kaiser und Papst sowie die weiteren Monarchen Europas. Insofern
war es von erheblicher Bedeutung, inwieweit die Königstitel im gemeinsamen
Umgang verwendet wurden. Eine persönliche Begegnung mit anderen Köni-
gen war freilich der eingängigste Ausweis für die unangefochtene Akzeptanz
der Herrschaftsansprüche, für die die adäquate Titulierung im Gesandtschafts-
und Briefverkehr als wichtige Vorstufe zu erachten ist. Derartige Anerkennung
von außen konnte die Herrschaft im Inneren festigen, musste allerdings nichts
über den Rückhalt eines Herrschers in seinem Reich aussagen. Ein Dualismus
zwischen königlich-herrschaftlichen und ständisch-genossenschaftlichen Kräf-
ten durchzog alle spätmittelalterlichen Monarchien/" und der Machtgehalt
des Königtums ließ sich nicht wesentlich durch die Anerkennung von Außen
steuern. Titularkönige und exilierte Monarchen stellen für die Diskrepanz von
königlichem Anspruch und ausgeübter Herrschaft Extremfälle dar. So formu-
lierte Reinhard Elze zu Recht, dass es sich bei der Beurteilung von spätmittel-
alterlichen Monarchen lohne, zu unterscheiden zwischen »einejm] »richtigen«
König und dem, der König heißt, aber nicht ist, und von dem, der so mächtig
ist wie ein König und doch weder König ist noch heißt.«"^ Doch auch Herrscher,
die heute als »kleine« oder schwache Könige beurteilt werden, betrachteten
sich durchaus als Könige, die durch Titel, Krönung, ggf. Salbung, Akklamation
oder auch ihre Stellung innerhalb eines christlichen Sakralgefüges von anderen
Fürsten und Herzogen unterschieden waren. Dabei war gerade das auf den Kö-
nig ausgerichtete Zeremoniell eines der bedeutenden Mittel, den königlichen
Machtanspruch und die Befähigung zur Herrschaftsausübung vor Augen zu
führen. Man kann darin die eindringlichen Visualisierungen einer Herrschafts-
ordnung sehen, mit der Regenten sich abzuheben suchten und den Adel nicht
nur metaphorisch »um mehr als Kopfeslänge überragten«."' Hierzu gehören
die auf Öffentlichkeit ausgelegten und angewiesenen Momente der Prachtent-
faltung wie die Hoffeste, aber auch Versammlungen und Feierlichkeiten, zu
denen es aus liturgischen, familiären oder politischen Angelegenheiten kam.
Taufe, Weihe und Grablegung waren dabei die im Kern auf die Person bzw.
Dynastie des Herrschers zentrierten Anlässe, Hoftage, Parlamente und Stände-
versammlungen dagegen auf den gesamten Herrschaftsverband bezogen.
Krone angefertigt wurde; Anonimo Romano, Cronica, ed. Porta, S. 34; zum Bericht von Matteo
Villani, Rudolf IV. von Österreich sei »Re de Lombardi«, einen Titel, den er nie tatsächlich
führte: BERGRicH, Die fürstliche »Majestät« Herzog Rudolfs IV., S. 49f.; allgemein vgl. BEGERT,
Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, S. 96, Anm. 36.
115 ScHNEmER, Königtum in der Krise?, S. 284: »Königtum [ist] herrschaftliches Moment [...] die
Stände als dominant genossenschaftliches Element genuine Träger spätmittelalterlicher Sta-
atlichkeit sind. Diese ist dualistisch geprägt.«
116 ELZE, Könige im spätmittelalterlichen Italien, S. 123.
117 VALE, Wie der französische König aus der Feudalgesellschaft ausscherte, S. 223.